Keine Schwuleninsel

■ Premiere im Theater in der Basilika / Bent - Rosa Winkel von Martin Sherman inszeniert von Friedrich Briesemeister

/ Bent - Rosa Winkel von Martin Sherman inszeniert von Friedrich Briesemeister

Mit all den Neu-Vorurteilen über Schwule auf Bühnenbrettern könnte man hingehen. Wieder eine Produktion berufsschwulen Coming-Outs? Nein, hier wird sehr gut zur Sache gegangen, und die Sache in Bent - Rosa Winkel, das am Wochenende im Theater in der Basilika Premiere hatte, ist die:

1934 platzt der Röhm-Putsch in die heil-schräge Welt der Schwulen. Ließ Röhm die Reichsleitung an der strikten Verfolgung von Homosexuellen zunächst noch vorbei denken, so ließ seine Abservierung diesen Damm brechen. Die Nazis können nun richtig loslegen - auch im Berliner Blumentopfidyll von Max und Rudi. Droht jetzt - peinlich, peinlich - ein Schwulenpärchen, das Tiefluftholen, Wegsehen und Verständnis verlangt? Solche Gedanken spielen die Jungs in der Basilika glatt weg. Thomas Engel ist Rudi, der als ein(e) wirklich süße(r) Blumen-Mamma seinen Pflanzen Namen gibt - „Ich nenne sie jetzt Walter...“ - und mit dem richtigen Kaffee zur rechten Zeit aufwartet, wenn Max einen Kater hat - wunderbar. Max und Rudi geraten in den Würgedschungel der Nazis und werden enden. Rudi auf dem Transport nach Dachau, Max wird sich dort das Leben nehmen. Max - in großartiger Schwerstarbeit: Ulrich Cyran - schlägt sich in Dachau als falscher Jude durch, kann berechnen, aber ohne Nutz am End.

Horst kommt ihm in die Quere, und Oliver Jacobs spielt diesen Geliebten von Max so, daß man sich dauernd bei Unterschätzungen ertappt und zum Schluß ehrfürchtig wird. Nein, das ist kein Stück über eine Schwuleninsel, die irgendwo im Geschichtlichen umhertreibt und im Theater um Beachtung buhlt. Nein, hier geht es in die Mitte auch dieser unserer Zeit. Es ist verrückt: Während fast des ganzen Stückes muß man ab und zu ein Lachen unterdrücken - die von Martin Sherman erdachte Geschichte ist so gut kalkuliert, daß auch das Lachen, das einem im Halse stecken bleibt, sitzt. Regisseur Friedrich Briesemeisters hat diesen Balanceakt auf die Bühne bugsiert, und nichts ging kaputt: Ernst A. Frantz überzeugt als alternder Geheim-Schwuler und als aasiger SS-KZ-Offizier. Matthias Wiebalck spielt im Flitterkleid massig und stark die knallharte Greta, die nicht schwul ist, aber an Schwulen verdient. Das Bühnenbild von Jörg Vorhaben ist knapp, prägnant und kein Sperrmüll. Der Inszenierung gelang etwas, dem man nur Glück wünschen kann, so weh das Zuschauen auch tut. Und es tut weh. Hingehen. Marcus Baumgratz

täglich außer Mo., 20 Uhr, So. 19 Uhr, bis 14.11.