Kurdistan: Mit Gewalt ist nichts zu lösen

■ Nurettin Basut: Wirtschaftshilfe an die Türkei trägt zur Militarisierung des Konfliktes bei

Acht Jahre lang hat der kurdische Lehrer Nurettin Basut nach dem Militärputsch in der Türkei im Gefängnis gesessen. Die Gefangenen-Hilfsorganisation Amnesty International hat ihn während dieser Zeit betreut und seine Freilassung gefordert. Damals habe er gemerkt, wieviel Solidarität bedeuten kann, sagte Nurettin Basut. Auf Einladung des Bundesverbandes der kurdischen Vereine in Deutschland war er gestern als Gast nach Bremen gekommen.

„Der Druck des Auslands auf die türkische Regierung darf nicht nachlassen“, forderte Nurettin Basut gestern. Nicht nur die Militärhilfe müsse sofort eingestellt werden, auch die wirtschaftliche Hilfe des Auslandes werde dazu verwendet, die Gesellschaft zu militarisieren. „Es ist nicht auszuschließen, daß NATO-Waffen weiter in kurdischen Städten eingesetzt werden.“

Seit 20 Jahren engagiert sich Nurettin Basut für die Rechte der Kurden. Er arbeitete im Lehrerverband der Türkei und war Mitglied des erweiterten Parteivorstandes der kurdischen demokratischen Oppositionspartei HEP (Partei des Volkes). Im vergangenen Jahr ist er ausgetreten, weil er die „Partei des Volkes“, die sich zusehends in das Fahrwasser der PKK begab, nicht mehr pluralistisch genug fand: „Die HEP sollte für alle Strömungen offen sein, eine breite Volkspartei, aber diesen Ansatz sehe ich im Moment nicht.“

Jetzt versucht er, außerhalb der HEP, „alle demokratischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Interessen der Kurden zu vertreten“. Er gründet Jugendverbände, die gleich wieder verboten werden und engagiert sich in Institutionen, die die kurdische Kultur fördern und erforschen. „Der türkische Staat versucht mit allen Mitteln, alle demokratischen Wege zu sperren, damit die, die etwas verändern wollen, nur noch eine Möglichkeit haben: in die Berge zu gehen.“ Zwar sei es nicht mehr verboten, kurdisch zu sprechen, doch es sei verboten, auf Kurdisch zu agitieren. Nach dem Wahlkampf im Oktober letzten Jahres sei ein Verfahren gegen ihn eröffnet worden, weil er in Wahlveranstaltungen kurdisch gesprochen habe, berichtet Nurettin Basut. Jede politische Betätigung sei ihm für drei Jahre verboten worden, hinzu komme ein Berufsverbot. „Der türkische Staat hat große Angst vor einer Demokratisierung der Gesellschaft, deswegen ist er auch gegen eine politische Lösung des Kurdenkonfliktes. Er setzt auf Gewalt.“ Doch daß die Kurdenfrage nicht mit Gewalt gelöst werden könne, habe die 70-jährige Geschichte gezeigt.

Die kurdischen Flüchtlinge verließen ihre Heimat nicht freiwillig, meint Nurettin Basut, manche gingen aus wirtschaftlicher Not, doch dahinter stehe der politische Hintergrund: „Wir wollen in unserem Land in Freiheit und Demokratie leben. Wir möchten nicht in anderen Ländern als Hilfsbedürftige dastehen.“ Und wieder apelliert Nurettin Basut an die internationale Solidarität: „Ich glaube, daß ich auch hier im Ausland beobachtet werde und rechne damit, daß ich nach meiner Rückkehr verhört werde. Ich hoffe, daß Ihr dann rechtzeitig davon erfahrt.“ Diemut Roether