BASF entdeckt Perpetuum mobile für Giftmüll

■ Chemiegigant baut für Rheinland-Pfalz auf Werksgelände zwei Giftmüllöfen

Mainz/Ludwigshafen (taz) — Eine „geniale Schrott- und Müll- Allianz“ nennt Fritz Gebhard von der Ludwigshafener Bürgerinitiative „das pa(c)k“ die jüngste Vereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF). Weil auch dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping und seiner Umweltministerin Klaudia Martini der Chemiemüll bis zum Hals steht, ging die Landesregierung bedingungslos auf ein Angebot des Chemiegiganten ein, dem finanzschwachen Land auf dem BASF-Firmengelände zwei neue Giftmüllöfen zu bauen. Der Hauptproduzent des hochgiftigen Drecks im Land ist die BASF selbst. Für Fritz Gebhardt steht deshalb fest, daß die Manager der Firma das Perpetuum mobile endeckt haben: „Jetzt darf die BASF zweimal kassieren: zuerst beim Verkaufen ihrer Produkte und dann beim Vernichten ihrer aggressiven Stoffe.“

Was den „pa(c)k“-Aktivisten heute so in Rage bringt, haben die Grünen im Mainzer Landtag vor knapp vier Wochen vergeblich zu verhindern versucht. Ein Antrag auf den Verzicht der zwei Drehrohröfen mit insgesamt 70.000 Tonnen Jahreskapazität wurde von den Regierungsparteien SPD und FDP mit Unterstützung der oppositionellen CDU glatt abgebügelt. Die Grünen hatten argumentiert, der Ofenbau sei nur eine „reaktive Maßnahme auf die verfehlte Sondermüllvermeidungspolitik der Landesregierung“. Weder eine Vergrößerung der Anlagenkapazität noch der Zubau seien hinlänglich begründbar. Der Landtagsabgeordnete Harald Dörr (Grüne) monierte, daß seit dem BASF-Deal ein angekündigtes Sondermüllvermeidungsgesetz mit einer Sondermüllabgabe wieder in den Schubladen verschwunden sei. Daß das BASF-Angebot ein „unternehmerischer Coup“ war, glauben auch die Bürgerinitiativen. Schließlich hätte der Giftmüllproduzent bei der Einführung einer Sondermüllabgabe jährlich bis zu 50 Millionen Mark an das Land abführen müssen. Für den Bau der neuen Öfen habe die BASF nach Angaben einer Firmensprecherin mehrere hundert Millionen veranschlagt.

Daß die Region Rhein-Neckar ein mit Luftschadstoffen „extrem belastetes“ Gebiet ist, wird auch von der Landesregierung nicht geleugnet. Laut der Landesanstalt für Umwelt sind im Dreieck Ludwigshafen-Mannheim-Heidelberg insgesamt 21 Haus- und Sondermüllverbrennungsanlagen mit einer Jahreskapazität von zusammen 1.592.000 Tonnen in Betrieb. Alleine die BASF hält sieben Chemiemüllöfen und eine Anlage zur Klärschlammverbrennung unter Feuer — nicht gerechnet das firmeneigene Kraftwerk. In einem offenen Brief an Umweltministerin Martini (SPD) hat die Bürgeraktion „Das Bessere Müllkonzept“ deshalb Vermeidungskonzepte und den Verzicht auf neue Sondermüllverbrennungsanlagen gefordert. Martini konterte, daß es bei der Entscheidung zugunsten der BASF auch um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz gegangen sei. Mit dem Chemiegiganten habe die Landesregierung einen kompetenten Partner gefunden, der in der Lage sei, eine Entsorgungsanlage auf hohem technischem Niveau und damit im Sinne des Umweltschutzes zu bauen.

Schon hat der ebenfalls mit Giftmüllbergen kämpfende Stuttgarter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) ein Auge auf das Kooperationsprojekt BASF/Rheinland- Pfalz geworfen. Seit Teufel in Baden-Württemberg mit der SPD koalieren muß, sind die CDU-Pläne zum Bau einer Giftmüllverbrennungsanlage im badischen Kehl obsolet geworden. In den BASF- Öfen wären mindestens noch Kapazitäten von 14.000 Jahrestonnen frei — und die will Teufel seiner Chemieindustrie sichern. Verhandlungen darüber sollen in diesen Tagen stattfinden. Fritz Gebhardt blickt indes zornig zurück: „Das Geschenk des Prometheus an die Menschen verwandeln die Müllwerker in eine permanente und unberechenbare Attacke auf die menschliche Gesundheit.“ Klaus-Peter Klingelschmitt