Fatale Folgen

KOMMENTAR

Fatale Folgen

Die hanseatische Justiz schlittert von Skandal zu Skandal: Da werden Schwerkriminelle und Drogenhändler freigelassen, weil die Gerichte überlastet sind. Doch die Justizkrise ist hausgemacht: Die Gerichte sind nur deshalb überlastet, weil die Staatsanwaltschaft jeden Schwachsinn anklagt und mancher Richter aus einer Mücke einen Elefanten macht.

So auch im Fall Sarodnick. Da wird jeder Logik und Prozeßökonomie zuwider ein Verfahren angesetzt, nur weil es ein schlagzeilenträchtiger Prozeß zu werden verspricht. Denn es ist niemandem plausibel zu erklären, warum in einem Bagatellverfahren vergewaltigte Frauen tagelang ihre Horrorerlebnisse erzählen müssen, die mit dem eigentlichen Sachverhalt nur sekundär etwas zu tun haben. Andersrum wäre es einfacher: Sollte der Häftling Banz wegen Vergewaltigung verurteilt werden, bräuchte sich Amtsricher Graue lediglich mit der Grundsatzfrage — hätte Sarodnick es melden müssen — auseinanderzusetzen.

Schon dieser Aspekt birgt Brisanz in sich: Denn sollte Sarodnick durch ein Urteil nachträglich zum Vertrauensbruch verdonnert werden, könnte das fatale Konsequenzen haben. Vergewaltigte Frauen könnten sich — wenn derartige Vorfälle nicht zum Stadtgesprächsthema werden sollen — nicht mehr vertrauensvoll an ihren Vorgesetzten wenden. Vergwaltigungen könnten nicht präventiv bekämpft werden, Vergewaltiger könnten unbemerkt ihr Unwesen treiben.

Es bleibt nur eine Alternative: Dieser dummerhafte Schauprozeß muß unverzüglich eingestellt werden, die Justiz muß sich andere Mittel einfallen lassen, um ihre Versäumnisse zu kaschieren — aber nicht so! Kai von Appen