Sanssouci
: Vorschlag

■ Die „Indigo Girls“ – wieder nur als Vorgruppe unterwegs

In Georgia, wir wissen es, sind die Nächte lau, und die Luft schmeckt süß. Ein Klima, das nicht nur R.E.M. gut zu bekommen scheint, sondern auch den dort beheimateten Indigo Girls, die dieser Tage als special guest der Neville Brothers durch Deutschland touren. Das Folk-Duo Emily Saliers und Amy Ray fand bereits zu Schulzeiten zusammen: „Wir haben halt immer zusammen rumgehangen und Gitarre gespielt ...“ Dabei ist es glücklicherweise geblieben. Allerdings steht der US-Erfolg der Indigo Girls in einem krassen Gegensatz zum hiesigen. Müßig zu spekulieren, warum das so ist, warum sie hierzulande im Schatten von Michelle Shocked oder K.D. Lang geblieben sind. Vielleicht klingen die ausschließlich selbst geschriebenen Songs für deutsche Ohren einfach zu eigenwillig, vielleicht stehen sie stilistisch zu sehr in der langen US-amerikanischen Folk-Tradition. Trotzdem: „So wie Bob Dylan, wäre er als Frau zur Welt gekommen“ – das Zitat aus dem (Daily Telegraph) trifft den Charakter ihrer Musik sicher nicht. Den Indigo Girls sind Einflüsse von Joni Mitchell und der heimischen Musikszene um Atlanta anzumerken, sie sind aber doch etwas unverwechselbar Eigenes.

Zum Beispiel zwei Stimmen, so verschieden wie Tag und Nacht. Amy Ray gibt den wilden, heiseren Part – wenn sie sich in Rage gesungen hat, tritt sie gern das Erbe ihres Straßenprediger- Großvaters an. Emily Saliers beweist dagegen, daß man in höheren Tonlagen nicht zwangsläufig rührselig werden muß. Sie hat das Händchen für die melodiöseren Songs, die den „Indigo Girls“ einige Hits bescherten (u.a. „Hammer ans Nail“ und „Galileo“). Die sehr poetischen und oft phantasiereich-metaphorischen Texte haben selten konkrete Anliegen oder explizit politische Ansprüche; es geht meistens ums Dasein als solches, in allen Dimensionen, und, natürlich, um Liebe. Dabei verhehlen sie auch nicht den Glauben an eine wie auch immer geartete higher might und beschwören gerne die alten Flower-Power-Ideale Love, Peace & Harmony. Zum Glück wirkt das nicht so peinlich, wie man denken könnte, weil die Indigo Girls keinen missionarischen Eifer entwickeln und bloß von persönlichen Wahrheiten singen. „Tried to be true“ heißt kaum zufällig einer ihrer schönsten Songs. Marion Pranter

Heute, 20 Uhr, vor den Neville Brothers im Tempodrom