Return to Gutersloh

■ Mittenwalde zerstört, ein Triebwerk in Flammen: Auf Nachtflug mit 2nd Lt. Stefan Schnaars (16) / Die Bremer Computerkids, 2. Folge

Paßbild

junger Mann

Es dämmert die Nacht, es wirbeln die Wolken, es schnurrt der Bomber wie ein alter Kater, und unten flimmern die Lichter von Hamburg. Neben mir 2nd Lt. Stefan Schnaars drückt ein paar Knöpfe, der Autopilot übernimmt, wir können ein wenig plaudern. Und Hamburg kommt noch einmal davon.

Jahrein, jahraus fliegt Stefan Schnaars (16), Schulbub aus Sebaldsbrück, seinen Stealth-Fighter F-117 A über den Planeten; „ach ja, gut fünf Stunden jeden Tag“, sagt er, „und in den Ferien noch länger“. F-117 A heißt das neueste Flugsimulationsprogramm der Software-Firma Microprose, es heißt nach dem berühmten Tarnkappenbomber der U.S. Airforce und funktioniert so originalgetreu, daß die Airforce es für ihre Schulungen verwendet. „Jederzeit“, sagt Stefan, „könnt' ich diese Maschine in echt fliegen“.

Da kracht es, daß das Cockpit wackelt, die Instrumente kreiseln und blinken in heller Aufregung. Treffer am linken Triebwerk, meldet die Damage Control; wir Deppen haben nicht aufgepaßt, jetzt verlieren wir zurecht Kerosin, und ringsum wimmeln feindliche Flieger. „Runter, runter“, flüstert Stefan, und wirklich, unten zwischen den Bergen kommen wir knapp davon, aber Stefan muß die Nase des Vogels schon mächtig hochziehn, „damit der nicht abschmiert“. Nebenan Stefans Mäuse und Wellensittiche in ihren Käfigen piepsen etwas bang, weil es gar so jault; aber auf dem Bildschirm meldet sich schon das automatische Flugleitsystem; jetzt ist es ausgestanden, es glüht die rettende Schrift: Return to Gutersloh!.

„Manchmal bricht einem schon der Schweiß aus“, sagt Stefan. „Manchmal trifft man Piloten, das sind Asse, die sind nicht abzuschießen, die sind einfach fürs Fliegen geboren!“ Wer? „Naja“, sagt Stefan und weiß nicht weiter. Einmal aber hat er 16 Feinde runtergeholt und, obgleich selber schrottreif geschossen, seine Maschine noch halbwegs gelandet. „Echt das schönste Erlebnis.“

Eine Woche hat er gebraucht, bis er den Flieger überhaupt wieder zurück auf den Boden kriegte; noch immer muß er oft genug im 240 Seiten dicken Handbuch nachblättern, wenn's heikel wird. Dort steht alles Nötige über Bordtechnik, Radargeräte, Navigation und Manövriertricks. Und vieles will reiflich erwogen sein: Treibstoffzuladung, Bewaffnung, Route, auch die Stärke des Gegners, die Schärfe des Konflikts und sein Ort, wahlweise „Desert Storm“, „Kuba“ oder sonst ein gängiges Krisengebiet. „Aber Kuba ist Scheiße“, sagt Stefan, „fliegste zwei Minuten, kommt schon wieder Wasser“. Wohin also auf unserm nächsten mission flight? „Nach Mitteleuropa“, sagt Stefan, „da ist am meisten los.“

Mal sehen. Stefan, nach Punktezahl inzwischen 2. Leutnant, trägt mit einer gewissen Feierlichkeit seinen Namen ins Bordbuch ein und knipst das Licht aus. Im dunklen Zimmer fliegt er am liebsten; „da ist alles weg“, sagt er, nur das Cockpit leuchtet. Und wahrhaftig, hinterm Hangar geht eben die Sonne auf, „wunderbar“, sagt Stefan. Wir rollen an. Unser Auftrag: Destroy the bridge at Mittenwalde. Stefan klickt die Radardaten an. Noch alles ruhig. Vielleicht kratzt er demnächst, sagt Stefan, das Geld zusammen für den nagelneuen Strike Eagle von Microprose: In dieser noch viel wahreren Welt sind sodann die Berge richtig bewaldet, und unten die Flüsse kann man rieseln sehen.

Aber hei, wie klappert jetzt die Tastatur. 2nd Lt. Stefan Schnaars hat gut zu tun. Kurz vor Nurnberg blinkt Flakfeuer von unten, hinter uns eine MIG, Stefan zieht hoch und wagt einen Looping, geschafft, wir sind hinter dem Verfolger und sehen die Triebwerke glühen, aber von unten erwischt uns eine Boden- Luft-Rakete, Schluß, es rettet uns kein höh'res Wesen, wir steigen aus und sehen nur noch Funkenflug. Am Ende leuchtet die Ehrentafel auf, und hinter „2nd Lt. Schnaars“ steht jetzt: „K.I.A“. Das steht, sagt grinsend Stefan, für „Killed in Action“. Manfred Dworschak