„Gebären statt entbunden werden“

■ Das „Geburtshaus für eine selbstbestimmte Geburt“ feiert sein zehnjähriges Bestehen/ Fünf Jahre Hebammengeburtshilfe am Klausener Platz/ Fachtagung zur selbstbestimmten Schwangerschaft

Berlin. „Geburt ist keine Krankheit“ – mit dieser Überzeugung arbeitet seit zehn Jahren der Verein „Geburtshaus für eine selbstbestimmte Geburt“. Ehrenamtlich begannen 1982 Hebammen und andere Frauen mit dem Aufbau der Kontakt- und Beratungsstelle, die bereits ein Jahr später etabliert war – finanziert durch Spenden, Vereinsbeiträge und Senatszuwendungen. Inzwischen bietet die Kontakt- und Beratungsstelle in der Charlottenburger Gardes-du-Corps-Straße ein volles Programm mit Gruppen, Kursen und Veranstaltungen zu Themen wie Schwangerschaft, Geburt und das Leben mit Kindern.

Private Kredite und eine finanzielle Unterstützung durch den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband ermöglichten 1987 die Eröffnung des Geburtshauses am Klausener Platz. Hebammen, die raus aus der Klinikhierarchie wollten, betreuen hier ambulante Geburten und leisten Geburtshilfe als Alternative zur herkömmlichen Medizin im Kreißsaal. Mit dem Wunsch, die Frauen intensiver zu betreuen und im Team zu arbeiten, machten sie sich gemeinsam selbständig. Statt des üblichen High- Tech-Kreißsaales der Krankenhäuser herrscht am Klausener Platz eine häusliche Atmosphäre. Über 1.000 Kinder kamen bisher schon dort zur Welt, mit 300 Geburten im Jahr ist inzwischen die Kapazitätsgrenze erreicht. Ein zweites Berliner Geburtshaus entstand jetzt im Ostteil der Stadt.

Im Geburtshaus geht es um den wichtigen Unterschied, „gebären zu können und nicht entbunden zu werden“, wie es eine der Hebammen formuliert. Denn „die komplikationslose Geburt, die keine medizinischen Eingriffe oder Medikamente erfordert, ist die Regel und nicht die Ausnahme“, so sieht es – inzwischen nicht mehr nur – das Geburtshaus. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert Geburtshäuser nach dem Modell der Hebammengeburtshilfe als Regelversorgung für die komplikationslose Geburt.

Das Modell der Hebammengeburtshilfe könnte aber auch zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beitragen. Dennoch sträuben sich bisher einige Krankenkassen, die außer der Hebammenrechnung im Geburtshaus anfallenden Sach- und Personalmittel – wie Miete und Büroaufwendungen – zu übernehmen. So muß jede Frau 300 Mark für die selbstbestimmte Geburt auf den Tisch legen. Rechtlich sind die Kassen nicht verpflichtet, den Frauen die Selbstbeteiligung zu erstatten, weil sie das Geburtshaus nicht als Vertragspartner anerkennen.

In Zukunft will das Geburtshaus der zunehmenden Technisierung in der Schwangerenvorsorge ein neues Konzept entgegensetzen. So thematisiert auch die Fachtagung zum zehnjährigen Bestehen „die Vereinnahmung der Schwangerschaft durch die Medizin“. Denn jede zweite Schwangerschaft wird inzwischen von GynäkologInnen als Risikoschwangerschaft bezeichnet. Die eigentliche Vorsorge wird immer enger mit der pränatalen Diagnostik verknüpft. Dagegen richtet sich das Augenmerk der Hebammenbetreuung besonders auf das emotionale Wohlbefinden der Frau. Das Geburtshaus will auch auf dem Gebiet der Vorsorge Impulse geben. Schritte auf dem Weg, Schwangerschaft und Geburt vom Stigma der Krankheit zu befreien. Katrin Schröder