Im Sommerloch geboren, im Herbstlaub begraben

■ Die Komitees für Gerechtigkeit kümmern vor sich hin/ Spaltung droht

Dresden (taz) – Im Sommerloch geboren und unterm Herbstlaub begraben, von den etablierten Parteien zunächst gescholten, nun belächelt: die Komitees für Gerechtigkeit scheinen nach ihrer Sturzgeburt den Tag nicht mehr zu erleben, da sie Laufen lernen und in der Politik ein Wort mitreden. Erfolge, ein Vierteljahr nach dem Gründungsaufruf, lassen sich nicht vorweisen. Schon winkt mancher, der erst vor der „Spalterbewegung“ gewarnt hat, erleichtert ab: Das Ganze wäre ein Flop gewesen.

Mit einer Niederlage endete dieser Tage die erste eigenständige, politische Aktion des Dresdner Komitees. Die DresdnerInnen sollten in einem Bürgerentscheid darüber befinden, ob die Stadt bis Ende 1994 in den ihr gehörenden Wohnungen auf die Erhöhung der Grundmiete verzichten müsse, falls eine Steigerung nicht durch Anpassung des Wohngeldes abgefangen werde. Auch die Mieten in Genossenschaftswohnungen sollten die WählerInnen beeinflussen. Die Stadt könnte, so der Vorschlag, den Wohnungsbaugenossenschaften unentgeltlich allen von ihnen bebauten Grund und Boden übereignen. Harsche Kritik aus dem Rathaus und ein Rechtsstreit begleiteten die Stimmzettelaktion des Komitees, das sich auf die Kommunalverfassung berief. Doch statt der notwendigen 100.000 Stimmzettel kamen bis zur Auszählung nur knapp 35.000 zusammen.

Hans-Jürgen Burckhardt, einer der Dresdner Komiteegründer, gibt seine Enttäuschung zu. Dennoch sei die Aktion nicht vergebens gewesen. „Ohne unseren Druck hätte das Rathaus über städtisches Wohngeld nie diskutiert.“ Burckhardt sucht Gründe für den Mißerfolg des Bürgerentscheids nicht, was naheläge, bei dessen Kritikern oder in der unklaren Rechtslage der Aktion. „Vielleicht war es einfach zu früh“, vermutet er, „viele Menschen hoffen noch, höhere Mieten irgendwie bezahlen zu können, ohne dabei ihre insgesamt höheren Lebenshaltungskosten mitzurechnen.“ Komitees in mehreren anderen Städten seien dabei, ähnliche Aktionen vorzubereiten.

„Wenn wir zu einem Diskutierklub werden, können wir zumachen“, sagt Burckhardt. Noch sei es für diesen Schluß zu früh. Die Mietstopp-Aktion habe „neuen Zulauf“ gebracht, etwa 50 Leute kommen in Arbeitsgruppen zusammen. Das „plebiszitäre Element“ in der Demokratie dieses Landes zu stärken, darin sieht der PDS-Mann die größte Chance der Komitees. Als „neue BürgerInnenbewegung“ dürften sie „nicht nach dem Parteibuch ihrer Mitglieder fragen“. Selbst in seiner Partei gebe es „elementare Widerstände“ gegen die Komitees. „Die Angst, durch Bürgerbewegung in Frage gestellt zu werden, ist bei allen Parteien groß“, erklärt er sich die Aufregung seit dem Sommer.

Vor der Spaltung steht das Komitee in Leipzig. „Die einen wollen Parteipolitik machen und die anderen eine überparteiliche Arbeit“, beschreibt Harry Zeißig die Stimmung. Die Dominanz einer Partei, „welche, können Sie sich ja denken“, verhindere den Zugang zu den BürgerInnen. Diestel und Gysi, deren Engagement „anfangs ganz gut“ war, hätten „andere Vorstellungen“ von den Komitees als jene acht LeipzigerInnen, die nun einen neuen Anfang wagen wollen. Nicht zu Wahlen antreten, sondern „den Menschen helfen“, heißt deren noch etwas diffuses Selbstverständnis. Vor allem für die Älteren will sich der sechzigjährige Invalidenrentner Harry Zeißig engagieren. Zum Beispiel, ihnen bei der Suche nach bezahlbaren, kleineren Wohnungen helfen und dafür auch Druck im Rathaus machen.

Ähnlich geht es dem Komitee in Bremen. Rechtsanwältin Rosemarie Sanner war bei den Leipzigern, dort bekam sie von einem PDS- Genossen das Wort verboten. Daheim stiegen PDSler aus, nachdem sich im Komitee eine Mehrheit prinzipiell dagegen ausgesprochen hatte, Parteimitglieder in Funktionen zu wählen. Dem „recht stabilen Komitee“ hafte aber immernoch der Verdacht an, ein Parteiableger zu sein.

Sozialer Abstieg ganzer Bevölkerungsschichten sei ein gesamtdeutsches, kein Ost-West-Problem, erklärt Rosemarie Sanner die Gründung des Westkomitees. Die Komitees für Gerechtigkeit hätten als neue Bürgerbewegung in ganz Deutschland angesichts „makaberer Auswüchse“ des „Parteienfilzes“ durchaus die Chance, BürgerInneninteressen wahrzunehmen. Heute schon „durchschlagende politische Erfolge“ der „Gerechtigkeit“ zu erwarten, sei allerdings „hirnrissig“. Das „interne Papier“, worin der Zentrale Koordinierungsrat angeblich das Ende der Komitees prognostiziert, ist in Bremen nur aus der Presse bekannt. Gescheitert sei nach Ansicht von Rosemarie Sanner der Versuch, die BürgerInnenbewegung zentral zu verwalten. „Es gibt schon Gruppen, die jetzt ihre Felle davonschwimmen sehen“ und die offenbar mit einem bundesweiten Kongreß im Februar zu retten versuchen, was nicht zu retten ist – eine Ostpartei, eine „einheitliche Linke“ vielleicht. „Wir sind nie danach gefragt worden, ob wir diesen Kongreß wollen“, stellt die Aktivistin in Bremen fest. Was sie wollen, sei zunächst eine Vernetzung der vielen, kleinen, örtlichen Gruppen. Detlef Krell