Wie weit fährt ein Schokoladenpudding?

■ Eine Ingenieurin hat eine Analyse vorgestellt, mit der Transportkosten und Umweltbelastungen einzelner Produkte berechnet werden können

Berlin (taz) – Wer hat sich schon einmal gefragt, wie weit eigentlich ein Glas Erdbeerjoghurt gefahren ist, bis es im Laden steht? Zwei Gruppen gibt es, die sich das unbedingt fragen sollten: die HerstellerInnen von Erdbeerjoghurt und die KäuferInnen. Das meint zumindest Stefanie Böge. Die Ingenieurin, die am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie beschäftigt ist, hat die Reisen des Erdbeerjoghurts zum Thema ihrer Diplomarbeit an der Unversität Dortmund gemacht und damit wissenschaftliches Neuland beackert.

Böge untersuchte alle LKW- Transporte, die für Herstellung und Vertrieb zweier Packungsgrößen Erdbeerjoghurt (500-g- Mehrwegglas und 150-g-Einwegglas) und eines Schokoladenpuddings (125-g-Plastikbecher) in einer süddeutschen Molkerei vonnöten sind. Milch, Zucker, zubereitete Erdbeeren, Kakao, Gläser, Kunststoffbecher, Alu-Deckel, Etiketten, Leim und Transportpappe – all dies muß zum Hersteller gekarrt werden. Nachdem Joghurt und Pudding abgefüllt sind, geht's dann auf die Reise in die Läden. Für einen 150-g-Erdbeerjoghurt, der in einem süddeutschen Geschäft verkauft wird, ist nach Böges Berechnungen ein LKW mindestens 9,20 Meter weit gefahren, für einen 500-g-Joghurt 21 Meter und für einen Schokopudding 12,30 Meter. Somit stecken in einem 125-g-Becher Schokopudding 0,005 l Dieselkraftstoff, im 150-g-Erdbeerjoghurt 0,004 l und im 500-g-Joghurt 0,009 l Sprit. Da Böge die Fahrten zur Entsorgung der Einweg-Verpackungen bzw. Säuberung der Mehrweggläser nicht einbeziehen konnte, ist der Transportaufwand tatsächlich sogar noch größer.

Weite Wege und viele Einzelbestandteile, die von weither bezogen werden, verschlechtern die Schadstoffbilanz: Das Rohaluminium für den Alu-Deckel des Schokopuddings beispielsweise kommt aus Rotterdam, der Deckel wird in Wien hergestellt und von dort an die süddeutsche Molkerei geliefert. Dagegen bezieht die Molkerei den Alu-Deckel für das 500-g-Joghurtglas aus Weiden in Bayern, das dafür benötigte Rohaluminium kommt aus Grevenbroich bei Köln. Insgesamt schneidet der Schokopudding im Plastikbecher am schlechtesten ab, weil er – was die Menge der Einzelbestandteile und ihre Beschaffung betrifft – in der aufwendigsten Verpackung angeboten wird: Für den Schokopudding hat die Luft 51,0 g Stickoxide, 4,20 g Schwefeldioxid und 3,4 g Staub pro Tonnenkilometer ( das heißt: der Transport einer Tonne eines Produkts einen Kilometer weit) zu verkraften. Der 500-g-Erbeerjoghurt schneidet besser ab: Bis er im Einkaufskorb landet, werden 14,4 g Stickoxide, 1,2 g Schwefeldioxid und 0,96 g Staub pro Tonnenkilometer aus dem LKW-Auspuff in die Luft geblasen. Der 150-g-Erdbeerjoghurt liegt etwa in der Mitte.

VerbraucherInnen können wählen. Bei alltäglichen Lebensmitteln wie Joghurt, Milch, Butter, Brot und Obst sollten sie möglichst unaufwendig verpackte Waren aus der Region und den Jahreszeiten entsprechend einkaufen. Der Anspruch, jederzeit überall alles kaufen zu können, erzeugt immer mehr Verkehr. Und der mindert am Ende auch die Qualität der Konsumgüter, um deretwillen der Verkehrsterror schließlich erduldet wird: Kühe, die an einer vielbefahrenen Straße weiden, fressen kein sauberes Gras und geben folglich auch keine reine Milch für einen schadstoffreien Joghurt.

Um den kritischen VerbraucherInnen den Einkauf zu erleichtern, schlägt Böge nach dem Vorbild des Umweltengels eine regionalspezifische Kennzeichnung für Produkte vor, wenn ihre Einzelbestandteile zu über 80 Prozent aus der Region kommen. Dann gäbe es für die Unternehmen den Druck, Zulieferbetriebe in der Nähe zu bevorzugen und Einzelbestandteile von möglichst wenigen Firmen zu beziehen.

Neben einer Vereinfachung der Verpackungssysteme schlägt die Ingenieurin auch eine Vereinheitlichung der Mehrwegbehälter vor. Die leeren Gläser müßten dann nicht zum Ursprungsabfüller zurückgebracht werden, sondern könnten beim nächstgelegenen Produzenten angeliefert werden – so wie früher in der DDR, wo es republikweit normierte Flaschen und Gläser gab.

Noch habe die süddeutsche Molkerei auf ihre Analyse nicht reagiert, bedauert Stefanie Böge. Ihre gute Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zeige jedoch, daß in Teilen der Industrie die Bereitschaft entstehe, sich der Transport-Problematik anzunehmen.

Doch macht sich die junge Wissenschaftlerin keine Illusionen: „Damit die Unternehmen ihr Transportwesen nach umwelt- und menschengerechten Kriterien umbauen, brauchen sie natürlich Vorgaben aus der Politik – wie einen höheren Treibstoffpreis.“ Würde der Spritpreis auf fünf Mark angehoben – was den realen Kosten des Straßenverkehrs entspricht – stiegen die Transportkosten der süddeutschen Molkerei um 65 Prozent. Dies würde die drei Joghurt- und Puddingprodukte zwischen einem und 16 Pfennigen teurer machen. Spätestens dann würden Industrie und VerbraucherInnen verstehen, daß viel Transport viel kostet – nicht nur die Umwelt. Bettina Markmeyer