■ 500 Strontium-90-Seezeichen strahlen an der Ostseeküste
: Warnung vor Leuchttürmen

Stockholm (taz) – Mit einer ernsten Warnung an alle Freizeitskipper und Touristen mit Ziel Baltikum und russische Ostseeküste sind die Grünen in Estland jetzt an die Öffentlichkeit gegangen. Entlang der ehemals sowjetischen Ostseeküste strahlt es aus etwa 500 Leuchttürmen und Leuchtfeuern. Sie werden mit Generatoren betrieben, die mit dem radioaktiven Stoff Strontium-90 geladen sind. Irgendeine Strahlenabschirmung gibt es nicht. Touristen, die ein idyllisches Plätzchen an der Küste oder auf einer der zahlreichen Schäreninseln zur Rast suchen, sollten daher einen großen Bogen um alle Leuchtfeuer machen. Noch im Umkreis von zehn Metern, so haben Messungen ergeben, führt ein Aufenthalt zwischen einer und vier Stunden dazu, daß man das volle Strahlenquantum abbekommen hat, das die schwedischen Behörden jährlich für zulässig halten.

Die Leuchtfeuer sind ohne jegliche Warnschilder, meist unverschlossen, die Tür höchstens mit einem rostigen Riegel oder Seil gesichert. Besonders gefährlich sind die Strahlenbomben für Kinder, die auf und in dem vermeintlich herrlichen „Abenteuerspielplatz“ bei längerem Aufenthalt schwere Gesundheitsschäden davontragen könnten, so die Grünen. Bislang haben lediglich die Behörden in Estland auf Druck der Grünen eine Liste der Strontium-90-Seezeichen zusammengestellt, die 73 Leuchtfeuer und Leuchttürme umfaßt. Die Behörden haben bislang aber weder Warnschilder aufgestellt noch Sicherungsmaßnahmen eingeleitet, noch sich gar bereit erklärt, die Leuchtfeuer auf andere Betriebsmittel umzustellen: dafür sei kein Geld da. Was die übrigen baltischen Staaten und Rußland angeht, so fehlt noch eine Bestandsaufnahme. Die Umweltbehörde von St. Petersburg geht von „ca. 200“ Strontium-90-Seezeichen aus. Die Fabrik im estnischen Narva, die die fraglichen Generatoren für die Leuchttürme geliefert hat, hat hiervon über 500 hergestellt. Dies dürfte auch etwa die Zahl der noch in Betrieb befindlichen Strahlen-Türme sein. In den 60er Jahren war zeitweise auch in westlichen Ländern mit Strontium-90 zur Befeuerung von Leuchttürmen experimentiert worden. Zumindest in den skandinavischen Ländern sind diese Versuchsanlagen aber wegen der Strahlengefahren seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb. Zwischenzeitlich werden – soweit keine Stromversorgung – alle derartigen Feuer mit Wind- und Sonnenenergie betrieben. Reinhard Wolff