■ Die Nachrichtensperre zum Nazi-Anschlag in Ravensbrück
: Staatliche Beihilfe zur Verdunkelung

Die brandenburgische Nachrichtensperre eröffnet ein gespenstisches Szenario. Drei Tage lang verschwiegen eilfertige Politiker und Beamte einen nazistischen Anschlag auf das einstige KZ und die heutige Mahnstätte in Ravensbrück. Da wissen diese Herren – und vielleicht auch ein paar Damen – seit dem Brandanschlag auf die jüdische Baracke in Sachsenhausen nur zu gut um die internationale Resonanz, welche solche Untaten nach sich zieht. Ihnen war ebenfalls klar, daß die britische Presse sich während des Besuches der Queen auf diesen Anschlag gestürzt hätte. Also versuchten sie, die Attacke geheim zu halten und gaben sich der Illusion hin, daß dies auch gelingen könnte.

Es war und ist ein bedrückender Zustand, sich Tag für Tag schämen zu müssen: für die alltäglichen Angriffe gegen Ausländer, für die Renaissance des Nazismus im neuen Deutschland und für die Unfähigkeit des staatlichen Sicherheitsapparates, diese zu verhindern und zurückzudrängen. Unfähigkeit oder fehlender Wille? Gespenstisch ist nicht mehr nur die

Häufung von antisemitisch motivierten Anschlägen in

diesem Land, sondern gleichermaßen die Dreistigkeit, mit der die Brandenburger Staatsdiener glaubten, mit einem noch dazu miserablen Vertuschungsmanöver durchzukommen. Genutzt haben sie damit keinesfalls dem Ansehen ihres Landes, sondern den Tätern.

Denn das Schlimmste ist, daß die politisch motivierte Manipulation der Medien die Ermittlungen erschwert, vielleicht sogar die Ergreifung der Täter vereitelt hat. Bei der Aufklärung solcher Anschläge ist die Polizei vor allem auf die sogenannten „Hinweise aus der Bevölkerung“ angewiesen, auf zufällige Augenzeugen, denen scheinbar irrelevante Beobachtungen wieder in Erinnerung kommen, wenn die Medien über Straftaten berichten.

Es wird sich noch zeigen, ob Manfred Stolpe in das Vertuschungsmanöver eingeweiht war. „Wir melden uns bei Ihnen zurück als historischer Partner Ihres stolzen Landes“, verkündete er der Queen am Freitag in einer Tischrede in Potsdam – ein feiner Partner, der zum Zwecke der Investoren-Acquisition seine Nazis elegant unter den Teppich kehrt. Wer auch immer die politische Verantwortung übernehmen muß, er oder sie müssen sich in jedem Fall vorwerfen lassen, daß es sich bei der Nachrichtensperre um Beihilfe zur Verdunkelung handelt. Michael Sontheimer