„Bei den Freiern abkassieren“

■ Arbeitskreis gegen Gewalt kritisiert Zynismus in der Debatte um den Drogenstrich

Wenn über Verlegung oder Zerschlagung des Drogenstrichs im Viertel debattiert wird, geraten die Bedürfnisse der Frauen, die sich dort prostituieren, leicht aus dem Blickwinkel, kritisieren Petra Reinhard und Ellen Best vom Bremer Arbeitskreis institutioneller Umgang mit Vergewaltigungsopfern. Die Sozialarbeiterin und die Rechtsanwältin fordern eine andere Form der Debatte.

Sie sagen, es sei zynisch, wie im Moment über den Drogenstrich diskutiert wird. Warum?

Ellen Best: Weil überhaupt nicht darüber gesprochen wird, was die Männer mit den Frauen da machen. Es wird kein öffentlicher Gedanke daran verschwendet, wie wir diese Männer kriegen, die die Mädchen quälen, die ihnen Gewalt antun und ohne Präser wollen. Das wird einfach akzeptiert.

Petra Reinhard: Als darüber diskutiert wurde, den Drogenstrich eventuell in den Holzhafen zu verlegen, hieß es auch nur: Das ist den Freiern nicht zuzumuten.

Aber die Frauen vom Drogenstrich haben selbst auch gesagt, daß die Freier beispielsweise Parkboxen nich akzeptieren würden.

Petra Reinhard: Da hört man dann auf einmal auf sie. Hat denn sonst schon mal jemand mit einem Mädchen vom Drogenstrich gesprochen? Solche Argumente werden benutzt, wie es ins Konzept paßt. In der ganzen Debatte geht es doch nur darum, daß die Anwohner sich durch die Frauen belästigt fühlen. Ich Schluß mit Schutz und Hilfe durch den Betreuungsbus Foto: Tristan Vankann

wohne da, aber ich fühle mich nicht durch die Frauen belästigt, die da stehen, sondern durch die Freier. Und die Lösungen, die jetzt gesucht werden, haben nur das eine Ziel: die Anwohner sollen beruhigt werden.

Und welche Lösungen schlagen Sie vor?

Petra Reinhard: Es kann doch nicht darum gehen, den Freiern möglichst gute Möglichkeiten zu bieten, sondern darum, den Frauen soviel Schutz und Hilfe wie möglich zu geben. Man muß akzeptierende Drogenarbeit leisten, das heißt, daß man für diese Frauen wirkliche Angebote schaffen muß.

Ellen Best: Wir sagen auch nicht einfach, der Drogenstrich soll bleiben! Vor unseren Augen spielen sich da brutale Szenen ab, und das wird akzeptiert. Aber die Gesellschaft verweigert den Frauen in dieser Notsituation den Schutz. Das ist Doppelmoral! Man müßte die Männer als Täter benennen. Man könnte doch von ihnen die Geldstrafe kassieren, die jetzt die Frauen zahlen sollen und das dann in die Drogenarbeit fließen lassen.

Freierkarteien?

Petra Reinhard: Das ist ein provokanter Gedanke, den ich nicht abwegig fände. Wieso ist die Diskussion über die Männer, die den Markt bestimmen, so ausgeblendet?

Ellen Best: Da gibt es unter Männern so eine unausgesprochene Kumpanei. Dieser Gang zur Prostituierten, an der der Mann seine Aggressionen auslassen kann. Das wird akzeptiert.

Petra Reinhard: Man kann nicht einfach sagen: Der Drogenstrich wird jetzt zerschlagen. Hier geht es um eine Form von Gewalt, für die sich keiner mehr zuständig fühlt. Kein Politiker kann sich einfach hinstellen und sagen, dafür trage ich keine Verantwortung.

Ellen Best: Dafür sind sie schließlich Politiker, das ist schließlich ihr Beruf, Verantwortung zu übernehmen. Fragen: Diemut Roether