Angst vor einem Bürgerkrieg in Natal

■ Krisensitzungen in Südafrika/ Führendes ANC-Mitglied ermordet

Johannesburg (taz) - Die explosive Situation in der südafrikanischen Provinz Natal war gestern Thema von Krisensitzungen des Kabinetts und verschiedener Friedenskomitees. Der Anlaß: Am Dienstag wurde Reggie Hadebe, Mitglied der Exekutive des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und einer der prominentesten ANC-Sprecher, in Natal bei einem Attentat ermordet. Zuvor waren seit dem Wochenende mehr als 50 Menschen bei politischer Gewalt in Natal zwischen Anhängern des ANC und der Zulu-Partei Inkatha ums Leben gekommen.

Lobbygruppen und Politiker riefen zu einem dringenden Treffen zwischen ANC-Präsident Nelson Mandela und Inkatha-Führer Häuptling Mangosuthu Buthelezi auf. Neben Präsident Frederick De Klerk kam ein solcher Aufruf auch vom Panafrikanistischen Kongreß (PAC), einem radikaleren Rivalen des ANC. Ein derartiges Treffen sei „eine Notwendigkeit, keine MÖglichkeit“, sagte PAC-Präsident Clarence Makwetu. Wenn das Blutvergießen nicht sofort gestoppt würde, liefen die Schwarzen Gefahr, „einen regelrechten Bruder- und Bürgerkrieg zu führen, währen das Land von einer Minderheit regiert wird“.

Inkatha hat in den vergangenen Tagen behauptet, Mitglieder der ANC-Armee Umkhonto we Sizwe (Speer der Nation) hätten eine Reihe der Massaker aus der letzten Zeit verübt. Inkatha-Sprecher Kim Hodgson sagte am Dienstag, der ANC verfolge eine Strategie, „die den Genozid an Inkatha zum Ziel hat“. „Massaker an Inkatha-Mitgliedern und -Unterstützern finden fast wöchentlich statt“, behauptete auch der Inkatha-Vorsitzende Frank Mdlalose. Seit Mitte August seien 86 Inkatha-Leute auf diese Weise ermordet worden. „ANC-Kader, die oft die Uniformen der Sicherheitskräfte tragen, werden immer öfter mit solchen Massakern in Verbindung gebracht“, fügte Mdlalose hinzu. „Es kann keinen Frieden in diesm Land geben, bis die Kader, die für den Tod unschuldiger Menschen verantwortlich sind, aufgespürt und von der Polizei verhaftet worden sind.“

Der ANC meint andererseits, daß rechte Gruppierungen innerhalb der Sicherheitskräfte zumindest einen Teil der Massaker verüben, um Gewalt zwischen ANC und Inkatha zu schüren und den Friedensprozeß zu behindern. Gleichzeitig warf der ANC Inkatha vor, ein Friedenstreffen, bei dem Hadebe am Dienstag mit Vertretern der Zulu-Partei und der Polizei zusammengetroffen war, absichtlich in die Länge gezogen zu haben, um das Attentat vorbereiten zu können. Auf dem Rückweg von dem Treffen war das Auto, in dem Hadebe fuhr, aus dem Hinterhalt mit automatischen Gewehren beschossen worden.

Inkatha-Führer sind in den letzten Wochen besonders erbost über ein Abkommen zwischen der Regierung und dem ANC, das Ende September unterzeichnet wurde. Das Abkommen sieht unter anderem ein Verbot gefährlicher Waffen in der Öffentlichkeit vor. Gemeint sind damit vorrangig die sogenannten „kulturellen Waffen“, also Speere, Kampfstöcke und Schilder, die Zulus auf zahlreichen Demonstrationen getragen haben. Mit solchen Waffen sind in den vergangenen Jahren Dutzende von Menschen ermordet worden. Buthelezi betrachtet das Abkommen als einen Versuch des ANC und der Regierung, alleine die Zukunft des Landes zu bestimmen, ohne ihn und Inkatha zu konsultieren.

Der Zulu-Führer hat in den letzten Wochen immer öfter davon gesprochen, das Zulu-Reservat Kwa Zulu, eventuell zusammen mit der Provinz Natal, vom Rest Südafrikas abzuspalten. Das erneute Aufflammen der politischen Gewalt in Natal könnte ein Versuch von Inkatha sein, das Kerngebiet der Zulu-Partei gegen den Einfluß des ANC auszubauen. Andererseits hat der ANC schon vor Wochen angekündigt, daß er den Druck auf Kwa Zulu verschärfen will, um die Behinderung der politischen Arbeit des ANC in dieser Region zu entfernen. Hans Brandt