„Deutschland spielt Schlüsselrolle“

Rushdie fordert mehr Druck der Bundesregierung auf den Iran/ Deutsch-iranisches Kulturabkommen soll nicht abhängig von der Aufhebung des Todesurteils gemacht werden  ■ Aus Bonn Thierry Chervel

Es habe konkrete Vorbereitungen für Attentate gegen ihn gegeben, berichtete Salman Rushdie gestern morgen auf einer Pressekonferenz. Rushdie war in Begleitung der SPD-Bundestagsabgeordneten Thea Bock und von Carmel Bedford und Frances D'Souza von der Unterstützer-Organisation „Article 19“ erschienen. Vor drei Monaten, so Rushdie, seien drei iranische Geheimagenten aus Großbritannien ausgewiesen worden, deren „Interessen ganz klar auf diese Sache zielten“. Damit sei erwiesen, daß die iranische Regierung entgegen ihren Beteuerungen ihre Finger mit im Spiel hat.

Über seinen Bonn-Besuch äußerte sich Rushdie hochzufrieden. Am Dienstag nachmittag habe er ein konstruktives Gespräch mit Ministerialdirigent Schirmer vom Auswärtigen Amt geführt. Schirmer, stellvertretender Leiter der Kulturabteilung im Außenministerium, vertrat den wegen seiner China-Reise verhinderten Außenminister Kinkel. „Es gibt keinen Streit zwischen der CDU und anderen Parteien in der Unterstützung seiner Angelegenheit“, hat Schirmer Rushdie gegenüber versichert. Auf Nachfrage bestätigte das Pressereferat des Außenministeriums allerdings, daß diese Unterstützung der Bundesregierung nicht darin bestehen werde, daß eine Unterzeichnung des Kulturabkommens mit dem Iran von einer Aufhebung der Fatwa abhängig gemacht werde. Das Kulturabkommen werde nur deshalb nicht unterzeichnet, weil vier Bundesländer und die iranische Regierung noch nicht eingewilligt hätten.

Rushdie wies darauf hin, daß die umfangreichen deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen eine besonders günstige Voraussetzung für eine deutsche Einflußnahme im Iran darstellen. Es gebe Anzeichen, daß die iranische Regierung wegen der andauernden Proteste im „Fall Rushdie“ langsam nervös werde. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran. „Deutschland hat eine Schlüsselrolle“, so Rushdie. Wenn die deutsche Regierung Druck auf den Iran ausübe, entstehe gleichzeitig Druck auf die britische und andere europäische Regierungen, nachzuziehen. Auch sein Treffen mit Björn Engholm, das am Montag stattgefunden hat, bewertete Rushdie positiv.

Außerdem kündigte Rushdie für die nächsten Wochen und Monate weitere Überraschungsbesuche in europäischen und außereuropäischen Ländern an. Unter anderem wolle er die Regierungen dazu veranlassen, beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen die Morddrohung gegen sich, seine Verleger und Übersetzer zu klagen.

Kulturboykott wegen Rushdie aufgehoben

Düsseldorf (taz) – Die nordrhein- westfälische Landtagsfraktion der Grünen hat die SPD-Landesregierung gestern aufgefordert, die Zustimmung zu dem deutsch-iranischen Kulturabkommen zurückzuziehen. „Bis zur Aufhebung des Todesurteils gegen Salman Rushdie und bis zur Beendigung der Menschenrechtsverletzungen im Iran“, so heißt es in einem Antrag der Grünen, über den der Landtag Anfang November entscheiden soll, dürfe es „keine Normalisierung“ der deutsch-iranischen Beziehungen geben. Das am 29.11.1988 zwischen Bonn und Teheran abgeschlossene Kulturabkommen war wegen der innenpolitischen Situation im Iran zunächst auch von der Bundesregierung auf Eis gelegt worden. Im Einvernehmen mit Bonn verweigerten die meisten Bundesländer bis 1991 die für ein Inkrafttreten des Abkommens zwingende Zustimmung. Die Kursänderung der Bundesländer leitete das Auswärtige Amt mit einem Schreiben vom 15. Januar 1991 ein. Darin werden die Länder gebeten, den Boykott wegen der verbesserten inneriranischen Situation nun aufzugeben. Die Düsseldorfer SPD-Landesregierung kam diesem Wunsch schon am 16.Juni 1991 nach. Man habe zugestimmt, so beantwortete der Düsseldorfer Kultusminister eine entsprechende Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Brigitte Schumann, weil das Auswärtige Amt in „eingehenden Erläuterungen“ dargelegt habe, daß das Inkrafttreten des Kulturabkommens „positive Auswirkungen“ auf die „gemäßigten Kräfte im Iran haben könnte“.

Offenbar haben die „eingehenden Erläuterungen“ bei den Regierungen in Hessen, Rheinland- Pfalz, Bremen und Bayern keinen besonderen Eindruck hinterlassen. Diese vier Länder verweigerten bisher ihre Zustimmung. Die hessische Landesregierung hat das Auswärtige Amt erst vor wenigen Wochen aufgefordert, ihr einen genauen Bericht über die Menschenrechtssituation, die Morddrohung gegen Rushdie und die jüngsten Massenhinrichtungen im Iran zu geben. Eine Antwort aus Bonn steht noch aus. J. S.