Von Bruegel bis Rubens

■ Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei im Kölner Wallraf-Richartz-Museum

Auf dem Kunstmarkt behaupten sich die „Alten Meister“ neuerdings besser als die „Klassische Moderne“. Da fügt sich eine umfangreiche Bilderschau gut hinein in diesen Aufwärtstrend, die sich einem der zahlreichen goldenen Jahrhunderte widmet, die endgültig verflossen sind. Ein internationales Konsortium von Museen in Antwerpen, Wien und dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum widmet sich einem lokalen Gegenstand, der sogenannten Antwerpener Malerschule. Die Bezeichnung ist reine Erfindung; kein Lehrinstitut ist darunter zu verstehen, sondern eine kunstgeschichtliche Schublade zur Zusammenfassung der flämischen Kunstproduktion des späten 16. und frühen 17.Jahrhunderts.

In den Sälen hängen die Bilder nach der damals gültigen Hierarchie der Gattungen getrennt: Historienmalerei, Porträt, Genre, Stilleben und Landschaft. Außerhalb dieser Reihe beginnt der Rundgang mit einer Antwerpener Spezialität, den Galeriebildern. Sie geben Einblicke in private Kunstsammlungen. Kulturgeschichtlich sind sie hochinteressant, weil sie über die Sammeltätigkeit hinaus den politischen Rang dokumentieren, der mit solchen repräsentativen Galerien verbunden war. In den Galerien vermischten sich private und öffentliche Funktionen eines Raumes.

Je bedeutungsgeladener die Bilder sind, desto stärker werden die Veränderungen sichtbar, die sich von damals bis heute vollzogen. Mit dem modernen Geschichtsbegriff hat die „Historie“ wenig gemeinsam. Die Abteilung Historienmalerei präsentiert neben der „Einkleidung des Seligen Waltman als Abt der St.Michaelsabtei zu Antwerpen“ Mythologisches wie einen „Trimphzug von Neptun und Amphitrite“, biblische und antike Themen wie „Decius Mus deutet seinen Offizieren den Traum“. In diesem Fach brillierte Peter Paul Rubens, der allerdings in der Alten Pinakothek in München besser vertreten ist als in dieser Ausstellung. Sichtbar wird trotzdem, daß die thematische Vielfalt mit kompositorischem und maltechnischem Ideenreichtum ausgeführt wurde. In der Historienmalerei stand folgerichtig weniger der Bildgegenstand im Blickpunkt.

Machtdemonstration der AuftraggeberInnen, Erbauung und Moral kamen zwar nicht zu kurz, vorrangig galt es aber, den kompositorischen Vorgaben zu entsprechen. Darunter durfte dann auch gern das Kolorit leiden. Die Marzipangesichter der Personnage in „Herkules vertreibt Pan vom Lager der Omphale“ (Abraham Janssens) bilden kein Einzelbeispiel. Auch Bartholomäus Spranger entgleitet zuweilen die Palette. Seine Stärke liegt allerdings darin, seine Figuren in den gesuchtesten Stellungen im Bild zu plazieren. Minerva darf daher die eselsohrige, haselnußbraune Unwissenheit mit Füßen treten und dabei mehr schweben als stehen. Ihr Körper steckt in einer Rüstung, die ihn nicht verhüllt, sondern nur mit einer stahlblauen Haut überzieht. Geist und Erotik schied Spranger nicht voneinander.

Die Hängung konfrontiert alte Sehgewohnheiten mit unserer modernen Sichtweise, und es zeigt sich, wie weit diese von jenen entfernt ist. Denn die Stilleben und Landschaften sind oft verlockender als die mit pathetischen Themen befrachteten Werke aus der Meisterklasse. Clara Peeters malt das Naschwerk aus Konfekt und kandierten Früchten unwiderstehlich; ein kurioses „Vogelkonzert“ von Frans Snyders ersetzt den Besuch eines Tierparks. In den Landschaftsgemälden fasziniert besonders die Farbgebung. Grün-, Gelb- und Blaustufen zusammen mit einer halbwilden Felsenlandschaft erzeugen romantische Dramatik ohne Handlung. Noch spannender malt Rubens die „Landschaft mit dem Schiffbruch von Aeneas“. Zwar spielt sich das Geschehen im Vordergrund ab: Links liegt das zerschellte Schiff in der Brandung, ein Geretteter hilft einem Gefährten ans Ufer, indes sich rechts die übrigen Überlebenden ums Feuerchen hocken. Hinter diesem im Dreivierteldunkel verlaufenden Erzählband entfaltet sich das bizarre Panorama eines nächtlichen Sturms, der selbst die Felsenlandschaft nicht unbewegt läßt. Auf ihrem Sattel steht ein Leuchtturm, der sein Feuer ausspeit wie die Fackel über einem Hüttenwerk. Das von Menschenhand erzeugte Licht beruhigt das geängstigte Gemüt. Martin Warnke erkannte in diesem Gemälde eine politische Allegorie: Das Schiff sei das Staatsschiff, das im Sturm des Krieges zu scheitern drohe, und der Leuchtturm signalisiere die Hoffnung auf Frieden. 1620 gemalt, entstand das Bild kurz vor Ende des zwölfjährigen Waffenstillstandes zwischen den nördlichen Niederlanden und Spanien und warnte vor einer Fortsetzung des Krieges.

In der Ausstellung selbst interessieren solche Fragen allerdings nicht. Wenn schon die Epoche im Titel genannt wird, bietet es sich an, die Neugierde darüber zu befriedigen, wie es zu dem Paradox kultureller Blüte in Bürgerkriegszeiten kommt. Die graphischen Serien aus dem Hause Hogenberg beispielswiese zeigen alternative Szenen aus den Spanischen Niederlanden. 1566 erlebte Antwerpen seinen Bildersturm, und Monate später begann ein Krieg, der erst endgültig 1648 beendet wurde. Holländische und flämische Kunst unterscheiden sich wegen dieser Teilung des Landes.

So üppig wie die Malerei und die Bilderschau ist der Katalog, ein kiloschweres Opus. Manche Fragen, die sich in der Ausstellung stellen, lassen sich mit seiner Hilfe beantworten. Christoph Danelzik

Bis 22. November 1992. Didaktischer Führer gratis. Katalog: 58DM.