„Laß mich dein Badewasser nutzen!“

Land und Kommunen in Hessen fördern den Einbau privater Brauchwasseranlagen/ Regenwassernutzung für Haus und Garten nimmt zu/ Haushalte bereiten das „Grauwasser“ aus der Badewanne auf  ■ Von Heide Platen

Bei den ökologisch bewußten Eigenheimbesitzern und Häuslebauern in Mittelhessen kursieren kleine blaue Zettel: „In diesem Gebäude ist eine Regenwasseranlage installiert. Bitte aus der Toilette kein Wasser trinken.“ Das teure Naß wird hier schon seit langem nicht mehr nur von wasserscheuen, unreinlichen Spinnern gespart. Rechtsanwälte, Zahnärzte, Pfarrer, Fluglotsen, reputierliche Besitzer von Bungalows und Eigenheimen, junge Baufrauen und -herren sind zur Einsicht gekommen und rüsten um. Sie sind in einigen Regionen schon ein eingeschworener Zirkel hochkompetenter Bastler, denen die Diskussion über ihre Brauch- oder Regenwasseranlage wichtiger ist als die über das neueste Auto.

Bei Umweltschützern, die in ihrem eigenen Haus Regenwasser verwerten wollen, geht der Deckel heftig zu, wenn die Sprache auf die „DIN 1988“ kommt. Das umfangreiche Regelwerk sieht in seinem Teil 4 die höchste der fünf gesundheitlichen Gefährdungsstufen für Haushalte mit Brauchwasseranlagen vor und hat dafür „strengste Vorschriften“ erlassen. Trink- und Brauchwasserkreislauf dürfen keinerlei Verbindung haben. Außerdem warnt das hessische Umweltministerium in einer Broschüre noch davor, daß „bestimmte Risikogruppen“, gemeint sind auch Allergiker, Regenwasser zum Wäschewaschen benutzen.

Währenddessen macht der Sparwille der Alltagsökologen auch vor dem „Grauwasser“ nicht halt. So heißen Waschmaschinen-, Bade- und Duschwasser im Fachjargon. Auch das wird, wie in Kranichstein von einem Hobby-Tüftler und grünen Stadtverordneten, inzwischen wiedergenutzt. Über Filter und Tank wird die Flut im Takt einer Zeitschaltuhr zweimal täglich in den Garten befördert. Kies und ein Schilfbeet klären den restlichen Schmutz. Das gereinigte Wasser fließt zurück ins Haus und füllt die Toilettenspülkästen.

Der Zahnarzt Klaus Wagner ist technikbesessen, begeistern kann er sich „nur nicht für die militärische“. Sein Haus mit der Praxis in Butzbach ist seit drei Jahren mit einer Regenwasseranlage ausgestattet. Auch die Patiententoiletten werden damit gespült. In der Waschküche kommt das Wasser aus drei Hähnen: „Warm“, „Kalt“ und „Regen“. Wagner tüftelt, bastelt und verbessert mit Lust. Zum Verlegen des zweiten Leitungssystems hat er den Zahnarztbohrer mit gröberem Werkzeug vertauscht und in das 1951 gebaute Haus „Löcher wie in einen Schweizer Käse gebohrt“: „Meine Frau immer mit dem Staubsauger hinterher!“ Die Anlage kostete ihn, wegen der vielen Eigenarbeit, bisher nur 3.500 Mark. Und: „Alles ging viel besser, als ich erst gedacht habe.“

Bauunternehmer und Installateure in seinem Bekanntenkreis hatten ihm von der Anlage abgeraten, die jetzt zwei Zapfstellen und vier Toilettenspülkästen bedient: „Die wollen das noch nicht so recht.“ Vom Hausdach fließt der Regen durch einen in die Fallrinne eingebauten Filtersammler, der sich selbst reinigt, in zwei umgerüstete Öltanks im Keller. Zeitschaltuhren und Überlaufventile regeln den Kreislauf. Das Wasser sei, versichert er, von guter Qualität – meist fast so sauber wie Trinkwasser, aber immer mindestens so gut wie in zugelassenen Badeseen. Pest- und Choleraepedemien sind also, entgegen den Ängsten der Hygiene-Fanatiker, unbegründet. Koli-Bakterien fühlen sich schon deshalb nicht wohl, weil das Wasser kälter ist als in heimischen Badeseen. Daß der saure Regen den Menschen schade, bezweifelt Wagner. Große Wäschereien, meint er dazu, enthärten ihr Wasser schließlich durch Essigzusätze, die auch gut gegen Keime seien. Regenwassernutzer sollten eher darauf achten, daß die Tanks in einem abgedunkelten Raum stünden. Unter Lichteinfluß können sich Algen entwickeln. Dies könnte bei Grauwassernutzung ein größeres Problem werden. Denn: Wenn zum Licht auch noch das Algenfutter — zum Beispiel Phosphate aus Waschmitteln — dazukäme, so Wagner, „dann gedeihen die Wasserpflanzen explosiv wie in einem Biotop“. Frischgebackenen Bauherren rät er, auch gegen den Rat der Architekten, gleich „vorsichtshalber“ die Leitungen für den doppelten Brauchwasser-Kreislauf mitverlegen zu lassen: „Das spart später, bei der Tendenz zu steigenden Wassergebühren, die Bohrerei.“

Die Kritik der neuen Experten richtet sich vor allem an die Adresse von Bundesregierung und -gesundheitsamt, die das alles nicht glauben und am liebsten in Haushalten immer noch nur Trinkwasserqualität zulassen wollen. Dort werde der Wassernotstand, ebenso wie bei den Versorgungsunternehmen, bestritten. Der Bundesrat zeigte sich schon 1990 unzufrieden mit dem Kabinett. Er schickte der Regierung die Vorlage einer neuen Trinkwasserverordnung (TVO) zurück, stellte klar, daß „Trinkwasser nur Wasser zum Trinken sein soll“, und forderte eine verbindliche Ergänzung zur Regenwassernutzung. Experten sehen in dem politischen Widerstand ohnehin eher ein psychologisches Problem: „Die haben ein Dritte-Welt-Syndrom und Angst vor Schildern, auf denen ,Kein Trinkwasser‘ steht.“

Dietmar Schlosser von der Firma Wagner, nicht mit dem Zahnarzt aus Butzbach verwandt und aus Cölbe bei Marburg, sieht trotzdem optimistisch in die Zukunft. Der Betrieb ist ein Pionier im Anlagenbau. Die Firma baute Solaranlagen und stieg dann in das Brauchwassergeschäft ein. Inzwischen ist sie — selbstverwaltet — kräftig expandiert und beschäftigt 40 Angestellte. Schlosser kennt ebenfalls „so manche Bastler“, die Wasser aus Badewannen und Waschmaschinen wieder nutzen. Das mache aber, sagt auch er, „noch viele Probleme“: „Das Wasser stinkt, und die Flusen sind schwer rauszukriegen.“ Er jedenfalls lasse „vorerst die Finger davon“. Auch bei Bio-Bauten mit Grasdächern sei die Anlage „problematisch“.

Wissenschaftler der Technischen Hochschule Darmstadt warnen außerdem vor Ausnahmefällen wie bleigefaßten Dächern. Darüber hinaus sei die Regenwassernutzung „in der unmittelbaren Nähe von Taubenzüchtern“ nur mit Vorsicht anzuraten. Insgesamt aber zeigen die Versuche, unter anderem eine Keimanalyse von mit Regenwasser gewaschener Wäsche, durchaus hygienisch vertretbare Ergebnisse.

Die Anlagen aus Cölbe bestehen aus vier Hauptbauteilen: Regenkollektor, Filter, Speicher und Hauswasserwerk. Der Sammelfilter ist das Ergebnis der Tüftelei eines pensionierten Fernmeldeingenieurs der Bundespost und laut Schlosser „einfach, aber genial“. Er reinigt sich selbst.

Die privaten Installationen finden regional unterschiedliche Anerkennung. Das Land Hessen und einzelne Gemeinden fördern die Regenwassernutzung, zum Beispiel mit Zuschüssen für den Einbau der Anlage. Die seit Juli des Jahres vom Land erhobenen Grundwasserabgaben sollen als zweckgebundenes Förderprogramm in die Kassen der Kommunen zurückfließen. Die Gemeinde Marburg-Biedenkopf verlangt seit Anfang 1991 sogar die Installation von Regenwassersammelanlagen für alle Neubauten.

Zahnarzt Klaus Wagner ist mit seiner Regenwasserverwertung bisher „eigentlich sehr zufrieden“. Verstopfte Filter und eingefrorene Pumpen gab es selten, nur als anfängliche „Kinderkrankheiten“, Engpässe waren schnell behoben. Wenn in Trockenzeiten mit Trinwasser aufgefüllt wird, ist — wegen der strengen Vorschriften — die Toilettenspülung kurzfristig blockiert. Aber das dauert nur kurz und wird, so der Firmenexperte Schlosser, „jetzt auch geändert“. Wagner erhält in Butzbach einen Nachlaß auf seine Abwassergebühren. Der errechnet sich aus der für Butzbach angenommenen Niederschlagsmenge von jährlich 700 Millimeter pro Quadratmeter und der Fläche seines Hausdaches. Das ergibt bei ihm 70 Kubikmeter pro Jahr, abzüglich Verlust durch Verdunstung. Auch in anderen Gemeinden gibt es ähnliche Regelungen. Wagner führt säuberlich Buch und errechnete bisher rund 300 Mark gesparte Wassergebühren pro Jahr. Auch die Frage nach dem Stromverbrauch der Anlage bringt ihn nicht in Verlegenheit. Der hat ihn bisher mit insgesamt 30 Kilowattstunden zehn Mark pro Jahr gekostet.

Bei Klaus Wagner soll als nächstes eine Solaranlage her. Aber er hat sich, immer für Neues zu haben, auch schon über Komposttoiletten informiert. Begeistert ist er davon vorerst noch nicht. Das, welches er besichtigte, nennt er ein „Plumpsklo“, das „wegen der langen Rohre“ einen erheblichen Nachteil habe: „Es zieht von unten!“