Einer gegen Stolpe

Auf dem Landesparteitag der brandenburgischen SPD wird der einzige Kritiker des Ministerpräsidenten niedergeschrien/ Bündnis90 versichert erneut Koalitionstreue  ■ Aus Senftenberg Bettina Markmeyer

Die Ampel, die während des ganzen Sonderparteitags der Brandenburgischen SPD rot, gelb und grün in den Saal blinkte, stand für Manfred Stolpe, dem Ministerpräsidenten, nur auf Grün. Die GenossInnen, die in der kleinen Stadt in der von Braunkohle-Tagebau verwüsteten Niederlausitz zusammengekommen waren, duldeten keine Kritik an ihrem ersten Mann im Land. Zwar standen weder Stolpes Stasi-Kontakte noch die Ampelkoalition nach dem Rücktritt der Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis90) auf der Tagesordnung – wichtige Themen waren es gleichwohl.

Für das Bündnis90 war Umweltminister Matthias Platzeck erschienen, der einstweilen das Birthler-Ressort betreut. „Ganz entschieden“, versicherte er unter viel Beifall, „wird das Bündnis90 am Fortbestand dieser erfolgreichen Koalition arbeiten.“ Platzeck bekundete „Respekt“ vor Birthlers Schritt, nicht aber vor der Bonner Bündnisfraktion, die ihre Potsdamer FreundInnen kritisiert hatte: „Wir entscheiden in Potsdam ohne Rücksprache mit Bonn!“

Stolpes einziger Kritiker auf diesem Parteitag, auf dem es ursprünglich vor allem um kommunalpolitische Probleme gehen sollte, der Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg aus Berlin, wurde niedergeschrien. Hilsberg, zugleich Mitglied des Brandenburgischen SPD-Landesvorstands, hatte sich erneut erlaubt, seine ParteigenossInnen aufzufordern, ihr „Verhältnis zu Manfred Stolpe zu überdenken“. Die Provokation wohl kalkulierend, hatte er davon gesprochen, seine Partei stehe an der „Schwelle zu einer Lebenslüge“ und die Stolpe-Unterstützung nehme Züge des „Personenkults“ an.

Unter großem Beifall qualifizierte eine Delegierte aus Frankfurt/Oder Hilsberg anschließend als Profilneurotiker ab, der sich mit seinen despektierlichen Stolpe- Äußerungen „nur in den Vordergrund schieben will“.

Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Wolfgang Thierse beglückwünschte die Brandenburgischen GenossInnen zu ihrer Ampelkoalition, die auch die letzte Auseinandersetzung überstanden habe. Alles andere, beispielsweise „eine große Koalition mit der abgewirtschafteten CDU als Juniorpartner“ sei auch bundespolitisch ein „falsches Signal“. Gleichwohl bedaure er Birthlers Rücktritt „außerordentlich“. Die ehemalige Bildungsministerin habe ein wegen der „Radikalisierung der Jugend“ ungemein wichtiges Ressort aufgegeben. Traurig stimme ihn auch, daß dieser Rücktritt erneut ein Zeichen dafür sei, „welche Macht die Vergangenheit noch immer auf uns ausübt“. Erneut nutzte Thierse auch die Gelegenheit, seine „Nibelungentreue“ zu Stolpe, für die er mehrfach kritisiert worden war, zu rechtfertigen. Als Sohn eines Rechtsanwalts in der DDR, der auch politische Prozesse verloren habe, habe er, Thierse, „eine unstillbare Sehnsucht nach Rechtsstaatlichkeit entwickelt“.

Auch Ministerpräsident Stolpe müsse „Schuld“ nachgewiesen werden, vorher dürfe man ihn nicht verurteilen. Streit über Stolpes frühere Rolle sei gerechtfertigt und notwendig, nicht aber über seine Position als Ministerpräsident.

Manfred Stolpe selbst konzentrierte sich in seiner Ansprache auf die wirtschaftliche Situation Brandenburgs und die Bemühungen seiner Regierung, den Standort attraktiv zu machen. Seine Politik habe breite Unterstützung, stellte er zufrieden fest: Über siebzig Prozent aller BrandenburgerInnen hätten sich in einer neuen Umfrage sehr zufrieden mit der Landesregierung gezeigt.

Birthlers Rücktritt erwähnte Ministerpräsident Stolpe mit keinem Wort. Für den Umgang mit dem Fall Stolpe hatte er – anders als in seinem Redemanuskript vorgesehen, schließlich nur noch einen Satz übrig: „Solange die Solidarität in Brandenburg vorhanden ist, kann die Aufgabe der Aufklärung von Vergangenheit nebenbei gelöst werden.“