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■ Der Alte Berliner Garnisonsfriedhof

Wäre es jetzt Sommer, dann lüde dieser kleine Friedhof in der Mitte Berlins zum Picknicken ein. Vergnügte Menschen auf den Gräbern verdienter preußischer Offiziere und rund 350 später Kriegsopfer, Zivilisten, Kriegsgefangener und Soldaten, die 1945 in vier Massengräbern bestattet wurden, versöhnten in ihrem fröhlich-frevelhaften Tun vielleicht das Unversöhnbare. Eine Ausstellung des Vereins zur Vorbereitung einer Stiftung Scheunenviertel Berlin e.V. dokumentiert seine Geschichte. 1837 wurde ihm vom Kriegsministerium eine Neugestaltung in Aussicht gestellt, „wenn das Wäschetrocknen und Bettensonnen auf dem Kirchhof eingestellt und die Gräber gepflegt würden“. Um 1890 konnte man sich in dem nun verschönerten, parkartig angelegten Friedhof eine Laube mieten, um „im eigenen Häuschen Kaffee zu trinken und also inmitten der baumarmen Altstadt gegen geringes Entgelt an die Kirchenkasse die Wohltat genießen, im Freien und Grünen sein zu können“, so Garnisonspfarrer Georg Goens 1897. Nicht nur die Bedürfnisse der Toten bleiben sich über die Zeitläufte gleich, sondern auch die mancher Lebender.

Der heute kleine und ziemlich leergeräumte Garnisonsfriedhof wurde zwischen 1702 und 1706 zwischen Rosenthaler und Schönhauser Tor als Begräbnisplatz für die 1655 gegründete evangelische Berliner Garnisonsgemeinde angelegt. Während der größere östliche Teil für Mannschaften bestimmt war, wurden auf dem westlichen Territorium zwischen Linien-, Gormann-, Mulack- und Kleiner Rosenthaler Straße vor allem Offiziere bestattet. Nach zeitgenössischen Berichten boten die Begräbnisplätze einen ziemlich trostlosen Anblick. Ein Bretterzaun und ein kleines Totengräberhaus waren alles, was den Friedhof markierte. 1838 wurden schließlich 332 Bäume gepflanzt und Rasen aus dem Tegeler Forst angefahren. Der Gemeinenfriedhof, 1867 geschlossen, wurde ab 1890 abgeräumt und 1900 an die Stadt Berlin verkauft, die hier ihren Zentralarbeitsnachweis errichtete. Der Offiziersteil blieb weiterhin geöffnet. Das Grab von Sonia Horn, die als Mitglied einer polnischen Widerstandsgruppe 1943 verhaftet und in das KZ Ravensbrück gebracht wurde, zeigt ein Schicksal der zuletzt hier Bestatteten: Bemühungen der schwedischen Regierung hatten im Februar 1945 zu Horns Freilassung geführt. Auf ihrem Heimweg nach Polen wurde sie in Berlin durch einen Granatsplitter getötet.

1978, in späten DDR-Zeiten, wurde der Friedhof zum Park umgewandelt. „Es sind sicher Hunderte von Gräbern ehemaliger preußischer Berufsoffiziere und ihrer Angehöriger vernichtet worden, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hier begraben lagen... Man hatte Bulldozer eingesetzt, die auf ihre Art zwischen den Gedenksteinen herumwirtschafteten und reinen Tisch machten...“, schrieb die DDR-Wochenzeitung Der Sonntag ein Jahr später. Das „Plattmachen“ des Friedhofs wurde nach Protesten gestoppt und der Granisonsfriedhof schließlich unter Denkmalschutz gestellt. Der Verein zur Vorbereitung einer Stiftung Scheunenviertel Berlin e.V. will nun mit einer Ausstellung auf die notwendige Sicherung und Bewahrung des Alten Garnisonsfriedhofs hinweisen. Im allerheiligen und allerseligen November findet man bei einem Besuch der übriggebliebenen Eisengußmonumente und Sandsteingrabmale in die dafür hilfreiche erbauliche Stimmung. Brigitte Werneburg

Ausstellung: Kleine Rosenthaler Str. 3, Mo.–Fr., 10–15 Uhr

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