■ Was Ignatz Bubis bei seinem Besuch in Rostock geschah
: Das rechte Licht

Der letzte Versuch, das angeschlagene Image der Hansestadt Rostock aufzupolieren, ist gestern kläglich gescheitert. Nach den rassistischen Angriffen auf das Flüchtlingsheim im August und dem brutalen Vorgehen der Rostocker Polizei gegen französische Juden im Oktober dämmerte den Stadtvätern, daß man ein Zeichen setzen müsse für die internationale Öffentlichkeit; ein Zeichen von ähnlicher Qualität wie die Demonstration in Berlin am 8. November, die der Verfassungsfeind Helmut Kohl unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ anführen will. Man habe versucht, Rostock im rechten Licht erscheinen zu lassen, erläuterte eine Rostocker Senatsmitarbeiterin gestern das Klassenziel des Bubis-Besuchs, ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muß.

Was auf der Pressekonferenz geschah, war aber mehr als ungenügend und ist nicht nur damit zu erklären, daß der Geschichtsunterricht, den ein Karlheinz Schmidt im Sozialismus genossen haben mag, nicht zwischen jüdischem Glauben und israelischer Staatsbürgerschaft unterscheiden wollte. Die Frage des Karlheinz Schmidt nach den Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern in Bubis' vermuteter „Heimat“ zeugt nicht nur von unglaublicher Dummheit und Geschichtslosigkeit. Diese Fragestellung ist perfide. Die Verteidigungslinie der Rostocker Kommunalpolitiker seit den Pogromversuchen im August lautet: Hier ist nichts Besonderes geschehen. Gewaltbereitschaft gibt es überall. Gestern wollte der Vorsitzende des Innenausschusses hinzufügen: Gewaltbereitschaft gibt es auch in Israel, in der Heimat des Juden Ignatz Bubis. Was also soll eigentlich die ganze Aufregung?

Die Stadtväter Rostocks hatten Ignatz Bubis eingeladen, um ihn nach dem Eklat mit Serge und Beate Klarsfeld der Presse als Kronzeugen für Rostocker Liberalität und Toleranz zu präsentieren. Das ist ihnen nicht gelungen. Rostock steht nach wie vor im rechten Licht.

„Wo leben wir eigentlich?“ hat Ignatz Bubis gestern gefragt. Der größte Skandal ist, daß Bubis selbst diese Frage stellen muß, daß sie von der Rostocker Baggage nicht einmal gedacht wird. Man möchte seine Mauer wiederhaben und weiß doch, daß dies auch nichts nützte, denn die Blödheit und politische Instinktlosigkeit des Karlheinz Schmidt ist auch im Westen zu Hause. Da wurde noch in den Achtzigern vom Faszinosum Faschismus gejenningert und in Provinzparlamenten darüber lamentiert, was es bräuchte, „reiche Juden zu erschlagen“. Der Westen ist dem Osten nur insofern voraus, daß man links der Elbe genau darum weiß, sich mit solchen Bemerkungen ins Fettnäpfchen zu setzen. Claus Christian Malzahn