Serbiens Radikale weiter für Krieg

■ Der moderate Ministerpräsident Panic soll gestürzt werden/ Tudjmans Kompromißpolitik nebst Verrat an Bosniens Regierung scheinen gescheitert/ Bosnische Serben pfeifen auf Genfer Verhandlungen

Budapest (taz) – Milan Panics Stunden als jugoslawischer Regierungschef scheinen gezählt. Ginge es nach manchen Rednern im Belgrader Parlament, das gestern nachmittag über dessen dreimonatige Amtszeit debattierte, sollte er schleunigst davongejagt werden. Abgestimmt werden sollte erst am Abend. Der Tenor fast aller Redebeiträge der rechtsradikalen Nationalisten war jedoch schon am Nachmittag: Panic habe die „serbische Sache“ während seiner kurzen Amtszeit verraten. Was die „amerikanische Mickymaus“, so ein Abgeordneter, alles angepackt habe, habe nur den „Feinden des serbischen Volkes“ genützt, doch niemandem in der „serbischen Heimat“. Hauptvorwurf an den US-Emigranten serbischer Abstammung: Er habe mit der Räumung des Belagerungsringes um Dubrovnik militärische Vorteile verschenkt, überlasse das serbische Volk in Bosnien und Kroatien seinem eigenen Schicksal, stelle sich gegen die „erfolgreichen Kommandeure“ in Bosnien und tummle sich mit „albanischen Separatisten“.

Gerade Panics Schlichtungsversuche im Kosovo-Konflikt scheinen ihm jetzt das Rückgrat zu brechen. Panic versprach den Albanern letzte Woche bei seinem Besuch in Pristina, die „ungerechten Zustände“ abschaffen zu wollen. Selbst oppositionelle serbische Parteien werfen Panic seitdem vor, albanische Separatisten in ihrem „Kampf gegen Serbien“ zu unterstützen. So unter anderem Oppositionsführer Vuk Drašković.

Die alleinregierenden Sozialisten unter dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević haben in den letzten Tagen ebenfalls ihrem Unmut über Panic freien Lauf gelassen. Nachdem Panic die Machtbefugnisse Miloševićs in Frage stellte und Neuwahlen für den 20. Dezember ankündigte, werteten die Sozialisten dies als Kampfansage. Im Siegesrausch scheinen sich die radikalen Kräfte in Serbien weiter durchzusetzen.

Ein Zeichen dafür ist, daß sich die bosnischen Serben aus den Genfer Verhandlungen zurückzogen. Erst wenn die Existenz der „Serbischen Republik“ Bosnien- Herzegowina als Gesprächsgrundlage anerkannt werde, könnten sich die Serben zu neuen Verhandlungen entschließen. Da außerdem die Serben in den in Kroatien besetzten Gebieten mit den Serben Bosniens einen gemeinsamen Staat beschlossen haben, scheint die auf Kompromiß angelegte Position des kroatischen Präsidenten Tudjman erschüttert. Denn mit dieser serbischen Politik ist an einen serbo-kroatischen Ausgleich in Bosnien nicht mehr zu denken. Der „Verrat“ von Jajce der Kroaten gegenüber den muslimanischen Verteidigern jedenfalls dürfte sich für die Kroaten zu einem Bumerang entwickeln.

Hatte Franjo Tudjman noch vor wenigen Tagen die bosnischen Muslimanen aufgefordert, einer Aufteilung der Republik nach ethnischen Gesichtspunkten zuzustimmen, so wurde der antiserbische Beistandspakt bei einem überraschenden Blitztreffen Tudjmans mit dem bosnischen Präsidenten Izetbegović in der Nacht zum Montag in Zagreb wieder erneuert. Tudjman sprach plötzlich wieder von einem „faschistischen Regime“ in Belgrad, gegen das man sich nur gemeinsam verteidigen könne. Denn besonders muß Tudjman die Entwicklung im besetzten Teil Kroatiens schmerzen: Die serbischen Politiker der Krajina, derzeit sogenannte „neutrale UNO-Zone“, beschlossen nicht nur einen allmählichen „staatlichen Zusammenschluß“ mit der sogenannten „Serbischen Republik Bosnien“, sondern auch die Bildung gemeinsamer Streitkräfte, eine Zoll- und Finanzunion sowie eine einheitliche Gesetzgebung. Das kann Kroatien nicht hinnehmen. Damit könnte der Krieg erneut auf kroatisches Territorium getragen werden. Roland Hofwiler/er