Kanzleramt hält Schalck-Akten zurück

■ SPD mahnt Akten über geheime Treffen an/ Bewußte Verschleierung?

Bonn (taz) – Das Bundeskanzleramt enthält dem Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages wichtige Akten über die Kontakte zwischen hohen Regierungs- und CDU-Vertretern und dem früheren DDR-Devisen-Imperator Alexander Schalck-Golodkowski vor. Möglicherweise wurden sogar Akten vernichtet. Diesen Vorwurf erhob der Sprecher der SPD-Abgeordneten im Untersuchungsausschuß, Dr. Andreas von Bülow am Montag in Bonn.

Die SPD legt auf die Jenninger- Aufzeichnungen großen Wert, weil in seine Zeit im Kanzleramt auch die Gewährung des legendären Milliardenkredits fällt. „In diesem Zusammenhang, aber auch hinsichtlich des wohlstandsgeprägten Lebens des Herrn Schalck am Tegernsee“, so Andreas von Bülow, „hatten wir uns aus den Regierungsunterlagen Details über die Umstände der Kreditgewährung erhofft.“ Doch in Kanzler Kohls Hause sind derlei Papiere angeblich nicht zu finden. Im August letzten Jahres übermittelte der damalige Chef des Bundeskanzleramtes, der heutige CDU-Innenminister Rudolf Seiters, dem Schalck- Untersuchungsausschuß eine „chronologische Übersicht“ der Gesprächskontakte zwischen Bundesregierung und Schalck-Golodkowski zu DDR-Zeiten. Diese Liste enthielt keine Hinweise auf Treffen, die der seinerzeitige Staatsminister im Kanzleramt, Dr. Philipp Jenninger, zwischen Oktober 1983 und November 1984 mit Schalck-Golodkowski nachweislich geführt hatte.

Erfolglos mahnte die SPD mehrfach entsprechende Aufzeichnungen an. Am 2.September 1992 teilte dann das Bundeskanzleramt dem Ausschuß mit, daß keine Unterlagen mehr über die Kontakte Jenninger – Schalck aufzufinden seien.

Nach Recherchen der SPD hat es in der fraglichen Zeit jedoch über 20 Treffen zwischen Jenninger bzw. seinem persönlichen Referenten Thomas Gundelach und Schalck gegeben, darunter „geradezu konspirative Kontakte“. Mal traf sich Jenninger-Referent Gundelach zwecks diskretem Informationsaustausch mit Schalcks Ehefrau Sigrid in Berliner Hotels, mal fand sich Jenninger im privaten Landhaus des Rosenheimer Fleischgroßhändlers März zum vertraulichen Vierer mit März, Franz Josef Strauß und Schalck ein. Beide nahmen solche Termine stets mit dem Wissen von Bundeskanzler Helmut Kohl wahr.

Seltsam: In einer Vernehmung durch den Generalbundesanwalt in Karlsruhe gab Jenningers früherer „Persönlicher“ Thomas Gundelach zu Protokoll, Aufzeichnungen über die Gespräche Jenninger – Schalck seien im Kanzleramt stets als „geheim“ eingestuft worden. Seit der Affäre um die falschen Pässe für Schalck-Golodkowski, als BND-Geheimpost ungeöffnet in einem Panzerschrank des Kanzleramts versickerte, mag man der dortigen Bürokratie zwar ein gewisses Buchhaltungs-Chaos zutrauen. Aber daß nicht existente Berichte „geheim“ gestempelt werden?

Bleibt tatsächlich nur der Schluß, den Schalck-Ermittler Andreas von Bülow gezogen hat: Entweder das Kanzleramt bunkert die strittigen Akten, oder der Reißwolf hat sie verschluckt.

Die Sozis im Untersuchungsausschuß wollen es jetzt jedenfalls wissen. Auch Philipp Jenninger selbst, derzeit Botschafter in Wien, soll demnächst als Zeuge Auskunft geben. Thomas Scheuer