Übrig bleibt ein feines Pulver

■ Ausstellung "Tod und Technik" in Ohlsdorf: 100 Jahre Feuerbestattung

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Ohlsdorf: 100 Jahre Feuerbestattung

Ein silbernes Aschebesteck diente im ersten Hamburger Krematorium zum Sortieren der sterblichen Überreste eines Verstorbenen nach dem Einäschern. Eisenbeschläge von Särgen und Holz wurden von Knochen getrennt. Jetzt können diese Werkzeuge, neben anderen Exponaten, bis zum 28.November im Gebäude der Friedhofsverwaltung Ohlsdorf besichtigt werden — in der Ausstellung „Tod und Technik“ über 100 Jahre Feuerbestattung in Hamburg.

Unumstritten war die neue Bestattungsform nicht, als 1892 im Alten Krematorium an der Alsterdorfer Straße der erste Tote eingeäschert wurde. Vorher gab es lediglich in Gotha und Heidelberg Öfen, in denen Verstorbene verbrannt werden konnten. Nur aufgrund der Choleraepidemie, in deren Folge unter anderem heftige Kritik an den hygienischen Verhältnissen in Hamburg laut wurden, erteilte der Senat eine Betriebsgenehmigung für das Krematorium.

Vorausgegangen war die Gründung eines Vereins für Feuerbestattung im Jahre 1883. Er sammelte binnen kurzem genügend Geld, um einen Architektenwettbewerb auszuschreiben und schließlich das Krematorium von Ernst Paul Dorn errichten zu lassen. Zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge und Broschüren machten die neue Bestattungsform der Öffentlichkeit bekannt. Dennoch waren Einäscherungen anfangs noch selten. 1895 fanden 41 Verbrennungen statt.

Heute werden vom Ohlsdorfer Friedhof vier Öfen im Dreischichtbetrieb an fünf Tagen in der Woche benutzt. „Jedes Jahr lassen sich 1500 Menschen einäschern“, sagt Uwe Prasse, Leiter des Krematoriums. Und die Zahl steigt. Sie liegt bereits bei über 50 Prozent aller Bestattungen. Besonders schlimm findet der Friedhofs-Fachmann die

140 anonymen Urnenbeisetzungen, die in diesem Jahr schon durchgeführt wurden. „Wenn immer mehr Namenlose verschwinden, kann doch mit der Zwischenmenschlichkeit etwas nicht mehr stimmen.“

Auch technisch hat sich in den 100 Jahren Einiges geändert. „Damals wurde das Schamottgestein der Öfen mit Koks oder Holz auf

1Temperatur gebracht“, erklärt Gerhard Strohmeier, Mitarbeiter einer Firma, die Krematoriumsöfen herstellt. „Jetzt arbeiten wir mit drei Gasbrennern, damit die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden.“ In die Luft dürfe nichts entweichen. Wichtig: „Der Leichnam darf aus Pietätsgründen keinen direkten Kontakt zu einer Flamme

1haben. Er entzündet sich durch die Hitze des Mauerwerkes selbst.“

Was früher mit silbernem Besteck sortiert wurde, wird mittlerweile durch Ascheaufbereitungsanlagen geführt. Magneten entfernen Metallteile, Walzen zermalmen Knochenreste. Übrig bleibt ein feines Pulver, das dann in eine Urne gefüllt wird. Torsten Schubert