Irische Koalitionsregierung dankt heute ab

■ Premierminister Reynolds bezichtigt Koalitionspartner des Meineids/ Neuwahlen und Abtreibungsreferendum am 26.November

Die irische Zweckehe ist gescheitert: Die tief zerstrittene rechte Koalitionsregierung aus Fianna Fàil (Soldaten des Schicksals) und den kleinen Progressiven Demokraten (PD) wird heute abdanken, wenn die beiden PD-Minister wie erwartet aus dem Kabinett austreten. Der Mißtrauensantrag der Opposition, der am Nachmittag auf der Tagesordnung steht, wird dann die Mehrheit erhalten. Damit werden Neuwahlen fällig, die möglicherweise schon am 26.November stattfinden sollen, um den in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Parteien einen langen Wahlkampf zu ersparen.

Grund für das Zerwürfnis ist eine Behauptung des Premierministers Albert Reynolds in der vergangenen Woche, wonach sein Kabinettskollege, der PD-Vorsitzende Des O'Malley, vor einem richterlichen Tribunal „unter Eid eine unehrliche Aussage“ gemacht habe. Seitdem forderte die PD- Fraktion die Rücknahme der Meineids-Beschuldigung. Reynolds weigerte sich jedoch: „Das Wort ,Meineid‘ habe ich nie benutzt.“ Und wie ein bockiges Kleinkind fügte der ehemalige Country-Sänger hinzu: „Außerdem hat O'Malley viel schlimmere Sachen über mich gesagt.“ Seinen Kritikern bescheinigte Reynolds vor laufender Fernsehkamera, daß sie „Scheiße reden, totale Scheiße“.

Bei dem Tribunal, das die Regierungskrise ausgelöst hat, geht es um Fleisch – genauer gesagt: um Goodman International, die Firma des ehemaligen „Rindfleischbarons“ Larry Goodman, die inzwischen unter Konkursverwaltung steht. Goodman war der größte Fleischexporteur Europas, seine Umsätze machten immerhin fünf Prozent des irischen Bruttosozialprodukts aus. Der damalige Industrieminister Reynolds hatte dafür gesorgt, daß Goodman im Gegensatz zu seinen Konkurrenten staatliche Exportkreditversicherungen im Wert von mehreren hundert Millionen Mark bekam – für Exporte in den Irak. Die Versicherung garantiert dem Exporteur die Bezahlung seiner Ware aus der Staatskasse, falls der Empfänger die Rechnung nicht begleichen sollte. Reynolds behauptet, das sei eine Kabinettsentscheidung gewesen. Eine Reihe seiner damaligen Kollegen widersprach ihm freilich: Eine Kabinettsentscheidung habe es nie gegeben.

Goodman war nicht undankbar. Er zahlte Hunderttausende in die Parteikassen von Fianna Fàil, der PD und selbst der Oppositionspartei Fine Gael, doch als O'Malley nach den Wahlen 1989 Industrieminister wurde, entzog er Goodman die Exportgarantien. Damit brach das Fleisch-Imperium wie ein Kartenhaus zusammen.

Fianna Fàil, die seit 1933 mit kurzen Unterbrechungen Irland wie ein Familienunternehmen regiert, war 1989 nur deshalb eine Koalition mit den Progressiven Demokraten eingegangen, weil sie die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Die Beziehung war von Anfang an gespannt. Die PD hatte sich nämlich erst 1986 von Fianna Fàil abgespalten.

Eine Klärung der politischen Situation ist von den Neuwahlen nicht zu erwarten. Fianna Fàil wird auch diesmal nicht die absolute Mehrheit erhalten, zumal am selben Tag das Abtreibungs-Referendum stattfinden soll. Der Text, auf den sich Fianna Fàil gegen den PD- Widerstand festgelegt hat, wird von Abtreibungsgegnern wie Befürwortern abgelehnt. Die einen sehen ihn als „Lizenz zum Töten ungeborener Kinder“, die anderen halten ihn für frauenfeindlich, weil er ausdrücklich die medizinische Indikation ausschließt. Aber auch die PD wird aufgrund ihres Zauderns bei dieser Affäre nicht ungeschoren davonkommen: O'Malley hatte den Abschied aus dem Kabinett bereits für Dienstag angekündigt, die Entscheidung jedoch verschoben, weil der Tribunalsvorsitzende angeblich gestern ein Zwischenurteil über O'Malleys Aussage fällen wollte. Der wies das jedoch als Unverschämtheit zurück: Er mische sich nicht in Streitereien zwischen den Parteien. So werden sich die verfeindeten Koalitionspartner vielleicht schon in vier Wochen am runden Tisch des Parlaments-Kindergartens zu neuen Koalitionsverhandlungen einfinden. Ralf Sotscheck