Theo Müllers üble Tricks

■ Wie der schwäbische Milchbaron versucht, seinen schärfsten Kritiker mundtot zu machen

Augsburg/Aretsried (taz) – Vor genau einem Jahr hat der erfolgreichste deutsche Milchmann, Theobald Müller aus Aretsried bei Augsburg, einen schlimmen Brief geschrieben. Adressiert war er an den Chef des Augsburger Gesundheitsamtes. Müller wollte damit erreichen, daß einer seiner schärfsten Kritiker, der Landtagsabgeordnete Rainer Kamm (Die Grünen), für verrückt erklärt wird. Dies alles, weil der Parlamentarier gewagt hatte, sich von einem Stern- Fotografen vor und angeblich auch in einem Müllcontainer der Großmolkerei fotografieren zu lassen.

Es sollte nicht der einzige üble Brief des inzwischen als Umweltsünder bekannten Molkereichefs bleiben. Was dieser Tage der Ehefrau des Abgeordneten Kamm ins Haus flatterte, hat Müller-Geschäftsführer Gerhard Schützner aus der untersten Schublade gezogen. Zwei Tage nachdem vor Kamms Haustür ein Müllsack mit vergammeltem Müll abgeladen wurde und drei Tage nachdem Raimund Kamm zum ersten Mal eine tote Katze vor seiner Haustür fand, kam frühmorgens der Eilbote nach Augsburg. War die tote Katze ebensowenig Müller-Milch zuzurechnen wie der vergammelte Müllsack, der Brief an Frau Kamm war es wohl. Gerhard Schützner schrieb darin unter anderem: „Sehr geehrte Frau Kamm, vor wenigen Tagen erhielten wir das beiliegende Schreiben... Sollten die darin erhobenen Vorwürfe zutreffen, dann wird auf Sie persönlich viel Leid zukommen und Sie sollten darauf vorbereitet sein... Mit freundlichen Grüßen, Schützner.“

Das beiliegende Schreiben war ein anonymer Brief, gespickt mit Rechtschreibfehlern, der übelste Anwürfe enthält: uneheliche Kinder des Grünen-Abgeordneten würden auf Staatskosten leben und billige Wohnungen bekommen.

Doch damit nicht genug. Das anonyme Schreiben wurde auch an das Augsburger Sozialamt gefaxt – ohne Anschreiben. Aber auf dem anonymen Brief war die Fax-Absenderzeile „Molkerei Alois Müller GmbH&Co.“ lesbar, bestätigte der Leiter des Sozialamtes, Hans Kreidenweis. Müller-Kritiker Kamm spricht von „einer schlimmen Kampagne“, von regelrechtem Psychoterror.

Am vergangenen Freitag hatte der bayerische Landtag die Immunität des Abgeordneten aufgehoben, um damit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu ermöglichen. Müller-Milch hat diese Ermittlungen mit einer Beleidigungsklage ausgelöst, nachdem Kamm Theobald Müller in einem Interview als „Ökosau“ bezeichnet hatte. Dies, obwohl ein knappes Jahr zuvor der Milchmann in einem taz-Artikel ebenfalls als „Ökosau“ bezeichnet worden war, ohne daß das Unternehmen reagierte. Mit der Aufhebung der Immunität hatte niemand mehr gerechnet, nachdem sich vor der Sommerpause der zuständige Geschäftsordnungsausschuß des Landtages eindeutig dagegen ausgesprochen hatte. Noch nie in der über 40jährigen Geschichte des bayerischen Landtags war einem Mitglied des Parlaments wegen einer privaten Beleidigungsklage die Immunität aberkannt worden. Die Ausnahme möglich machte die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag. Aber nicht alle Abgeordneten der CSU konnten den Sinneswandel ihrer Partei nachvollziehen. 50 der 127 CSU-Abgeordneten blieben der namentlichen Abstimmung fern. SPD, FDP und Grüne stimmten gegen die CSU.

Für Müller-Milch ist nun also der Weg frei, den Abgeordneten Kamm auch wegen Beleidigung zu verklagen, nachdem er schon seit Monaten einen aufwendigen Zivilprozeß gegen ihn führt. Damit will das Unternehmen erreichen, daß Kamm zur Zahlung von 3 Millionen DM Schadensersatz verurteilt wird. Mindestens so hoch seien nämlich die Umsatzeinbußen, die der Molkerei Müller durch Äußerungen des Parlamentariers entstanden seien.

Es geht dabei auch um eine Kamm-Äußerung, die von der Deutschen Presseagentur (dpa) verbreitet, von Kamm aber nach Bekanntwerden unverzüglich berichtigt wurde. In der Meldung war der Abgeordnete fälschlich mit den Worten zitiert worden, der Grundstoff Styrol der Müller-Plastikbecher sei „nachgewiesenermaßen krebserregend“.

Trotzdem wurde Kamm wegen dieser Äußerung jetzt vom Augsburger Landgericht zu Schadensersatz verurteilt. Einen Teilerfolg hat der Landtagsabgeordnete im selben Prozeß jedoch errungen. Er darf weiterhin behaupten, Müller- Milch verpeste die Umwelt mit giftigem Plastikmüll. Das freilich will die Molkerei nicht hinnehmen. Sie will in die nächste Instanz ziehen. Dann hat auch die Verurteilung zum Schadensersatz keinen Bestand. Klaus Wittmann