Eine Schwarte voller Geheimnisse

■ Schalck-Ausschuß legt ersten Zwischenbericht vor

Bonn (taz) – Ein Neugeborenes von diesem Gewicht würde wohl als gesunde Geburt gefeiert. Drei satte Kilo und 250 Gramm wiegt das Ding! Doch der große Wurf ist dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der seit dem Sommer letzten Jahres Licht ins Dunkel um den ehemaligen DDR- Devisen-Imperator Alexander Schalck-Golodkowski bringen soll, mit seinem ersten Zwischenbericht noch nicht gelungen. Die 1766-Seiten-Schwarte, die der CDU-Ausschußvorsitzende Friedrich Vogel gestern präsentierte, besteht vornehmlich aus bis zur Wende obergeheimen Akten der Stasi und des Schalck-Firmenimperiums „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo), darunter die komplette Dissertation des Doktor Schalck (Doktorvater: Erich Mielke!).

Echt spannend ist die Lektüre für all jene, die ein Jahr lang konsequent keine Zeitung gelesen haben. Abgedruckt sind Grundsatzdokumente, die Einblick in Geschichte und Struktur des KoKo- Firmendschungels geben. Ein Großteil der über eine Million Dokumente, die der Ausschuß bisher angesammelt hat, so Vorsitzender Vogel fast entschuldigend, sind „bislang noch nicht annähernd ausgewertet“. Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Beucher bemängelt wiederum an der Arbeit des Vorsitzenden Vogel eine „gewisse Schwerfälligkeit im Befragungsritual“. Und die spannendsten Kapitel, wie etwa der illegale Schmuggel mit Embargogütern oder die Umstände des legendären, von Alexander Schalck-Golodkowski und Franz Josef Strauß eingefädelten Milliardenkredits für die DDR, stehen erst bevor.

Doch so dürftig, wie sie auf den ersten Blick scheint, ist die Bilanz der bisherigen Ausschußarbeit auch wieder nicht.

Beim Thema Häftlingsfreikauf etwa hat der Ausschuß den humanitären Lack abgekratzt. 31.775 Häftlinge kaufte die Bundesregierung von der DDR frei. Bezahlt wurde in Form von Warenlieferungen, die über das Diakonische Werk und KoKo abgewickelt wurden. Schalcks Leute versilberten das Zeug umgehend an den internationalen Rohstoffbörsen. Von wegen Bananen und Orangen für die notleidenden Brüder und Schwestern drüben, wie der Öffentlichkeit stets vorgegaukelt wurde! „Im dunkeln“, räumte Vogel ein, „liegt noch die Rolle der westdeutschen Vertrauensfirmen“, die als Warenbereitsteller an diesem makabren Menschenhandel kräftig mitverdienten. Ebensowenig aufgearbeitet ist die Rolle der Kirchen dabei. Nächstes Jahr soll dazu auch Manfred Stolpe in den Zeugenstand.

Die Abgeordnete Ingrid Köppe (Bündnis 90/ Grüne) mahnte an, auch die Aktivitäten der westlichen Geheimdienste zu untersuchen. Die hätten KoKo nicht nur erfolgreich aufgeklärt, sondern bei manchem Deal womöglich mitgemischt. Da guckte der Ausschußvorsitzende Vogel schon wieder ganz unglücklich. Th. Scheuer