Hauptsach', 's koscht nix Von Philippe André

Der Schwabe liebt seine Küche. Zu Recht! Ist doch die schwäbische Cuisine unter den deutschen durchaus als eher gehobene zu bezeichnen. Ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil stimmt den – kulinarisch gesehen – schwabophilen Betrachter allerdings eher nachdenklich.

Die Tat geschah bereits am 9.11. '91 und nannte sich „Alljährliches Essen der Freiwilligen Feuerwehr Gerhausen“, einer Gemeinde nahe der Donaustadt Ulm. Vor zwei Wochen nun sprach Richter Walter Waldenmeier vor dem Ulmer Amtsgericht das Urteil in einem Prozeß, der zweifellos in die Vereinsannalen der FFG eingehen wird. Der Koch und Pächter des Restaurants, der schon im Februar dieses Jahres aufgrund „eines dramatischen Besucherrückgangs infolge mehrfacher Wirtschaftskontrollinspektionen“ schließen mußte, wurde wegen „fahrlässiger Körperverletzung in 22 Fällen“ und des Verkaufs von Lebensmitteln, „die nicht mehr zum Verzehr geeignet waren“, zu einer Geldstrafe von 2.500 DM verurteilt.

Serviert worden war eigentlich ein Allerweltsmenü: Schweinerückensteaks, Pommes, Spätzle, Kroketten, Salat und Eistörtchen. Die Folgen aber waren extraordinär: 22 astreine Salmonellenvergiftungen. Fast alle Gäste waren anschließend krankgeschrieben, um das böse Bauchgrimmen, die permanente Übelkeit und die Kopf- und Gliederschmerzen auszukurieren. Noch bis Ende Jänner '92 schieden die „Freiwilligen“ kräftig Salmonellen aus, zwei leiden noch heute.

Klarer Fall von „außen hui – innen pfui“? Weit gefehlt! „Schon die Steaks“, so die Gäste im Zeugenstand, wirkten „miserabel, schwammig und wie öfter aufgewärmt“. Der „Salat aus gelben Rüben und Erbsen“, erläuterte eine Feuerwehrsgattin in angewidertem Staccato, habe ausgesehen „wie schon mal gegessen“. Überdies sei nicht zu erkennen gewesen, ob es sich beim „Dressing“ nun „um Mayonnaise oder Mehlsoße gehandelt habe“. Ganz sicher war sich eine weitere Zeugin aber bei den Zitronenschnitten im Bier: „Die waren nicht nur einmal verwendet worden.“

Richter Waldenmeier konzentrierte sich im Verlaufe des Verfahrens kaum auf die Gäste und deren schier unglaubliches Verhalten. Denn weder hatten sie eine Speise zurückgehen lassen, noch den Koch etwa zu einem Selbstversuch genötigt. Vielmehr hatten sie brav alles in sich hineingeschaufelt und lediglich bei den fast vollständig zerlaufenen Eistörtchen eine zaghafte Beschwerde gewagt. Diese wurde jedoch von der resoluten Kellnerin mit der Bemerkung „Wenn's nicht so kalt ist, verdirbt man sich nicht den Magen“ vom Tisch gewischt. Dem in angetrunkenem Zustand zur Verhandlung erschienenen Koch, der seine enorme Verspätung mit dem Hinweis entschuldigte, er habe schließlich mit der Bahn kommen müssen, da ihm am Vorabend der Führerschein entzogen worden sei, wird mit dem besonnenen Urteil die Chance auf einen Neuanfang bei der Vergiftung anderer Menschen gewährt. Was aber die Gäste angeht, so steht zu befürchten, daß sie sich– in Deutschland nichts Ungewöhnliches – die Reste haben womöglich noch einpacken lassen. Schließlich gilt doch: Hauptsach', 's koscht nix!