Subventionen und Seilschaften

■ Polens Filmförderung hat nur noch wenig Geld/ Der Kampf um die verbliebenen Finanzspritzen ist um so heftiger/ Immer mehr Produktionen aus dem Ausland

Boguslaw Szwajkowski konnte in diesem Jahr über 88 Milliarden Zloty verfügen, umgerechnet rund 8,8 Millionen Mark. Szwajkowski ist Direktor der staatlichen polnischen „Produktionsagentur“, einer Filiale des Kultusministeriums, die über die Förderungswürdigkeit polnischer Filmprojekte entscheidet. Die Agentur besteht erst seit Anfang 1991. Bis dahin war dafür allein das „Kinematographie-Komitee“ im Ministerium zuständig– ein Konstrukt, das noch aus kommunistischen Zeiten stammt. Damals, so erinnert sich Szwajkowski, konnte man noch aus dem Vollen schöpfen. Was die Zensur durchgehen ließ, wurde finanziert. Seit die Regierung nicht mehr beliebig Geld drucken kann, sind die Mittel jedoch knapp geworden. „Wir fördern Produktionskosten bis zu 70 Prozent bei Spielfilmen und bis zu 80 Prozent bei anderen Produktionen“, sagt Szwajkowski. „Der Höchstbetrag, den wir nicht überschreiten dürfen, liegt allerdings bei 3,5 Milliarden Zloty, umgerechnet rund 350.000 Mark. Das ist in den meisten Fällen nur ein Anteil von 50 bis 70 Prozent.“

Jeder Filmemacher, der ein fertiges Szenario anzubieten hat, kann sich an die Agentur wenden. Er muß eine Kostenrechnung vorlegen und Eigenmittel in Höhe von 30 Prozent nachweisen, die auch von einem Koproduzenten stammen können. Aus insgesamt 70 bei der Agentur tätigen Experten werden neun ausgelost, die zwei Wochen Zeit haben, um das Drehbuch zu beurteilen. Ihr Bericht wird dann an den Vorsitzenden des Kinematographie-Komitees weitergeleitet, der die Gelder bewilligt. Er ist zwar nicht an das Expertenvotum gebunden, habe sich bisher aber immer daran gehalten, versichert Szwajkowski. Der Komitee- Vorsitzende kann allerdings auch selbst Filme zur Produktion in Auftrag geben, die so erst gar nicht vor die Expertenkommission kommen.

Daneben gibt es noch eine Drehbuch-Agentur, die die Autoren unterstützt, sowie eine Vertriebsagentur, die die Filme unter das Volk bringt. Der eingespielte Gewinn wird unter den Agenturen und Produzenten verteilt – das Defizit gehört allein der Agentur. „Die Kosten sind inzwischen so hoch, das fast jeder Film defizitär ist“, sagt Szwajkowski. Das sei allerdings kein Grund, keine Filme mehr zu produzieren. Man könne schließlich ein Einspielergebnis nie voraussagen. Als Beispiel führt er die Verfilmung des Orzeszkowska- Romans „Am Niemen“ an: „Das ist bei uns Schullektüre, damit konnte man eigentlich keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Und trotzdem brach der Film alle Kassenrekorde.“

Nach außen erscheint das polnische Filmförderungsmodell unumstritten, doch unter der Oberfläche gärt es gewaltig. „Es ist eine allgemein bekannte, nur leider kaum zu beweisende Tatsache, daß das Expertenvotum und die Zuteilung des Geldes von gesellschaftlichen Kontakten und Seilschaften abhängen“, klagt ein Regisseur. „Auf dem Papier sieht das alles ganz gut aus, aber die Realität ist anders. So ist es überhaupt kein Geheimnis, daß die Produktionskosten oft so hoch kalkuliert sind, daß die deklarierten Eigenanteile dann gar nicht in Anspruch genommen werden müssen. So werden manche Filme vollständig vom Staat finanziert. Irgendwann wird die Agentur deshalb wohl aus Geldmangel schließen müssen.“ Bis dahin herrscht jedoch ein erbitterter Kampf um die Subventionen. Kein Wunder, daß immer mehr Filme in Polens Kinos aus dem Ausland kommen und immer mehr Produktionen zwar polnische Schauspieler und Regisseure beschäftigen, aber vom Ausland finanziert werden. Klaus Bachmann