Ägyptische Wahlfarce

■ Kommunalwahlen zeugen von Demokratiemangel/ Islamisten gewinnen jedoch erste Bastion

Kairo (taz) — „Wahlen? Welche Wahlen?“ fragt die Nachbarin. Ist die Rede von den Präsidentschaftswahlen in den USA? Nein? „Ach so — die Wahlen der NDP“, sagt sie und wendet sich enttäuscht ab.

Die Kommunalwahlen in Ägypten am Dienstag wollten bei den ÄgypterInnen keinen so rechten Enthusiasmus aufkommen lassen. Die Oppositionszeitung Wafd spricht von einem „demokratischen Trauerspiel“. Die Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses wurde auffällig lange herausgezögert, bis zum späten Donnerstag. Die regierende „Nationaldemokratische Partei“ (NDP) erreichte in den meisten Provinzen 90 Prozent der Stimmen.

Der Sieg der Partei des Präsidenten Husni Mubarak war schon vor den Wahlen ausgemachte Sache. Ende Oktober verkündete NDP-Generalsekretär und Landwirtschaftsminister Yusuf Wali bereits, seine Partei habe 85 Prozent aller kommunalen Parlamente gewonnen. Der Grund: In den meisten Wahlkreisen gab es keine Gegenkandidaten.

Als stärkste Oppositionspartei erwies sich die Arbeitspartei, die mit den Muslimbrüdern eine Koalition bildet. Sie gewann 79 Wahlkreise, fast ein Drittel derjenigen, in denen sie gegen die NDP angetreten war. Am erfolgreichsten war sie in der östlichen Nildeltaprovinz Daqhiliya, wo sie 25 Wahlkreise gewann. Diese Gebiete dürften damit in Zukunft für die Regierung eine ernsthafte Herausforderung darstellen: Von dort können die Islamisten nun offiziell legitimiert Sand ins Getriebe der Regierung streuen und eine alternative „islamische“ Kommunalpolitik betreiben.

Im Wahlkampf klagte die Opposition die Regierung an, die Folgen des Erdbebens vom Oktober völlig unzureichend bewältigt zu haben. In den Wochen nach dem Erdbeben machten mehrere Korruptionsskandale der Regierung zu schaffen. Einige der eingestürzten Häuser waren mit Wissen von Regierungsbeamten illegal um mehrere Stockwerke erhöht worden.

Außerdem stellt sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Wahlen. Nach dem jetzigen System erhält die Partei, die 51 Prozent der Stimmen erhält, alle Sitze. Es wird erwartet, daß das Verfassungsgericht dagegen Einspruch erheben wird, ähnlich wie bei den Parlamentswahlen von 1990. Damals hatte das Gericht sich gegen das System „Der Gewinner kriegt alles“ ausgesprochen. Karim el-Gawhary