Zum kritischen Verständnis

■ betr.: "UNO-Protektorat Bosnien-Herzegowina" von Erich Rathfelder, taz vom 31.10.92

betr.: „UNO-Protektorat Bosnien-Herzegowina“ von Erich Rathfelder, taz vom 31.10.92

[...] 1. Warum fordert der Autor zur militärischen Intervention in Bosnien-Herzegowina auf? Immerhin ist ein Embargo, wie von der UNO beschlossen, bisher nur zum Schein, nur lückenhaft bzw. überhaupt nicht durchgeführt worden. Meldungen über Embargobrüche sind zunächst von der griechischen, dann von der rumänischen und – besonders spektakulär – von der mazedonischen Grenze bekanntgeworden, da hier ganze Tankzüge in Richtung Serbien rollten und rollen und zwei deutsche Reporter dort von serbischen Beamten gefangengenommen und gefoltert wurden. Damals hat die mazedonische Regierung das Ausland zur Hilfe bei der Durchsetzung des Embargos gerufen, was interessanterweise international genauso überhört wurde wie der Hinweis unseres Ex-Außenministers auf die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Pseudo-Embargos. Und während die Bundesrepublik in der Adria mit der „Bayern“ planscht, um dieses Militär in aller Welt wieder salonfähig zu machen, wird das Embargo in deutschen Häfen, wie „Monitor“ am 19. Oktober berichtete, erfolgreich unterlaufen. Ich denke, hier fehlt es nicht an der Wirksamkeit friedlicher Mittel, sondern schlicht und ergreifend am Willen (u.a.) der Bundesregierung, dem Krieg und dem faschistischen Genozid im ehemaligen Jugoslawien ein Ende zu bereiten (was ist auch anderes von einer Bundesregierung zu erwarten, deren Außenminister aus wirtschaftlichen Gründen dem Verbrecherregime in Peking die Aufwartung macht). Vielmehr soll offenbar der Eindruck erweckt werden, friedlich Mittel seien untauglich, um eine Grundgesetzänderung für weltweite Bundeswehreinsätze fordern zu können. [...]

2.Ich möchte dem Autor nicht unterstellen, die Nato und somit die USA zur Intervention aufgefordert zu haben, wie es im Text von etlichen Organisationen gefordert wird. Wäre diese Forderung nicht die stillschweigende Akzeptanz der Rolle der USA als „Weltpolizisten“ und des neuen Ein- Block-Systems in der heutigen Welt durch die Linken? Wären die USA überhaupt daran interessiert? Immerhin ist Serbien kein Land, das sich dem US-Markt verschließt, wie Kuba oder Lybien.

Die Soldaten jedoch, die in einem aufreibenden Krieg verwundet oder sterben würden, können ebensogut als UNO-Beamte die serbischen Grenzen abriegeln. Gregorg Julien Straube,

Tübingen

Deine Idee, sich in Ex-Jugoslawien zwischen zwei Faschoarmeen zu stellen und so Frieden zu stiften, ist ja große Klasse. Als echter Streiter für die „Menschenrechte“ darf ich annehmen, da Du nicht anderer Mütter Söhne empfiehlst, sich bei 20 Grad minus den Arsch abschießen zu lassen, sondern selbst deine Knochen riskierst für die gute Sache. Oder willst Du doch lieber in der taz gute Tips geben, während Schmid und Meier in den bosnischen Bergen mit der Schnauze im Dreck liegen? [...] Thomas Sommer, Berlin

Erich Rathfelder ist anscheinend darauf angewiesen, bei der Linken erst Feindbilder zu produzieren, um sie zu irgendeiner „Aktion“ zu bewegen. Hierzu wird Kroatien in denselben Topf geworfen wie Serbien. Kroatien jedoch ist in Betracht seiner verlorenen Gebiete, in Betracht militärischer Macht und in Betracht der Flüchtlingsflut ein Serbien weit unterlegener „Partner“. Was bleibt Kroatien angesichts der allgemeinen Gleichgültigkeit des „zivilisierten“ Europas anderes übrig, als auch durch schmutzige Arrangements zu versuchen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen?

Politisch gesehen ist die Aufteilung Bosniens für Kroatien jedoch eine kurzsichtige Lösung. Sollte es zu einer Aufteilung kommen, werden die Serben über ihre bosnischen „Krajinas“ die kroatischen „Krajinas“ Serbien anschließen. Ganz zu schweigen davon, daß bei einer evtl. Kantonisierung etwa 400.000 Kroaten außerhalb der kroatischen Kantone bleiben würden. Die Regierung Kroatiens irrt ebenfalls sehr, wenn sie meint, mit der Aufteilung Bosniens den serbischen Größenwahn gesättigt zu haben. Die Serben sitzen jetzt schon im dalmatinischen Hinterland fest im Sattel, abgesegnet von der UNO, die Küste im Visier.

Das „Protektorat der UNO“ in der sgn. Kninska Krajina ermöglicht den dortigen serbischen (para)militärischen Einheiten, unbekümmert in Bosnien aktiv zu sein. Die eroberten Gebiete in Bosnien werden die Serben gern unter ein UNO-Protektorat stellen. Hält ihnen die UNO doch dann den Rücken frei für weitere Eroberungen, beispielsweise auf dem Kosovo.

Menschenrechte? Was Menschenrechte gelten, hat 1942-45 gezeigt. Bereits 1942 hat Europa und die Welt vom Bestehen der deutschen Konzentrationslager (nachzulesen in A.Hastings, „A History of English Christianity 1920-1985, London 1986, sowie in R.C.D.Jasper, „George Bell, Bishop of Chichester, London 1967), der „christliche“ Westen vom Plan für die „Endlösung“ der „Judenfrage“ gewußt. Die Serben verheimlichen keineswegs, daß sie die „Endlösung“ der „Muslimenfrage“ in Bosnien anstreben. Warum auch? Sie haben die Zustimmung zweier Unterhändler, der schweigenden Masse sowie aller jener Länder, die sich weigern, KZ-Häftlinge aufzunehmen. Dabei erdreistet man sich Kroatien – einem Land von 4,5 Millionen Einwohnern, das bisher um die 500.000 Flüchtlinge aus Bosnien aufgenommen hat und noch eine halbe Million eigene zu versorgen hat – vorzuwerfen, es lehne es ab, „vorübergehend“ Flüchtlinge aus Bosnien aufzunehmen. [...] Angesichts aller bisherigen „Versprechungen“ der „zivilisierten“ Welt ist dieses „vorübergehend“ mehr als suspekt.

Die sogenannte „ziviliserte“ Welt ist zugleich der größte Waffenproduzent und -Verteiler der Erde, es sind die Mächtigen und die davon profitierende Gesellschaft. Sie (die „zivilisierte“ Welt) ist überdies dabei, sich eine Weltpolizei zuzulegen, die zu allem Überfluß noch von den Friedensseligen unterstützt wird. [...] Peter Galić, Tübingen