Becker wieder Bum Bum

■ Boris Becker beweist höchstselbst seine Lieblingsthese, daß ein Tennismatch nur durch „mentale“ Stärke entschieden wird

Paris-Bercy (taz/dpa) – Es dauerte nur sechs Minuten, da hatte Boris Becker im Halbfinale des Hallenturniers von Paris die erste Breakchance gegen das Aufschlagmonster Goran Ivanisevic. Der Kroate brachte seinen ersten Aufschlag, Becker eierte den Ball kurz und hoch zurück, Ivanisevic griff mit einem unterschnittenen Ball an, und Becker drosch einen solchen Rückhand-Cross ins Feld, daß Ivanisevic nicht mal mehr mit dem Schläger zuckte. Ab da war das Spiel gelaufen, der Weltranglistenvierte sollte diesen frühen Schock nicht mehr verdauen. Ganz offensichtlich war mit dem Verlust des ersten Aufschlagspiels auch sein Selbstvertrauen von dannen gezogen. In den letzten beiden Wochen, beim Turnier in Stockholm, das er gewann, und in Paris, hatte Ivanisevic insgesamt nur ein einziges Mal seinen Aufschlag verloren. An diesem Samstag sollte er von Becker gleich viermal in nur 64 Minuten gebreakt werden. Ivanisevic hatte zwar auch reichlich Spielbälle bei Beckers Aufschlag, aber während der dreimalige Wimbledon-Sieger seine Chancen in geradezu unmenschlicher Konsequenz nutzte, ließ der Kroate die seinen verstreichen. Die vielen Breakbälle auf beiden Seiten ergaben sich dadurch, daß sowohl Becker als auch Ivanisevic nur um die 40 Prozent ihrer ersten Aufschläge brachten. Im Grafschen Eiltempo gingen die Sätze vorbei. 6:1 und 6:2 hatte Becker Ivanisevic deklassiert und dabei demonstriert, daß er die von ihm so oft beschworene „mentale“ Stärke wiedergefunden hat. Ganz nebenbei bewies er selbst seine Lieblingsthese, daß ein Tennisspiel nicht mit Tennis, sondern nur im Kopf gewonnen wird. Sein Selbstvertrauen war vor allem durch den Erfolg im Viertelfinale gegen den Weltranglistenersten Jim Courier so extrem angewachsen, ein Sieg der ihm „gefehlt hat“, wie er selbst meinte. „Ich glaube, ich habe noch nie so gut gespielt“, meinte er nach dem Match gegen Courier.

Im Finale traf er nach Redaktionsschluß auf den Titelverteidiger Guy Forget, der gegen den Schweizer Jakob Hlasek, der wie Becker vom Österreicher Günther Bresnik trainiert wird, relativ problemlos 6:3 und 7:6 gewann. Im Viertelfinale hatte Forget in einem Krimi Stefan Edberg ausgeschaltet. Forget lag im zweiten Satz – nach verlorenem ersten – bereits mit 1:5 hinten, wehrte zwei Matchbälle ab und gewann doch noch. Hlasek hatte das Halbfinale kampflos erreicht, weil das medizinische Wunder Henri Leconte sein Comeback unter Tränen abbrechen mußte. Bei seinem Sieg gegen Wally Masur hatte sich Leconte die Achillessehne angerissen. to

Frauen in Oakland, Einzel Halbfinale: Monica Seles (Jugoslawien) - Anke Huber (Heidelberg) 6:2, 6:3; Martina Navratilova (USA) - Katerina Malejewa (Bulgarien) 6:1, 6:2

Männer in Paris-Bercy, Einzel Viertelfinale: Goran Ivanisevic (Kroatien) - David Wheaton (USA) 6:4, 6:3; Guy Forget (Frankreich) - Stefan Edberg (Schweden) 6:7 (5:7), 7:6 (7:3), 6:3; Boris Becker (Leimen) - Jim Courier (USA) 7:6 (7:5), 6:3; Jakob Hlasek (Schweiz) - Henri Leconte (Frankreich) kampflose Aufgabe Lecontes wegen Verletzung; Halbfinale: Forget - Hlasek 6:3, 7:6 (7:1); Becker - Ivanisevic 6:1, 6:2

Männer in Buzios/Brasilien, Einzel Halbfinale: Luis Herrera (Mexiko) - Cassio Motta (Brasilien) 7:6 (7:5), 6:4; Jaime Oncins (Brasilien) - Francisco Roig 6:1, 6:3