Franz Müntefering

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Foto: bonn-sequenz

„Wenn ich durch die Dortmunder Innenstadt gehe, erkennt mich kaum ein Mensch“, hat Franz Müntefering erst jüngst einem Reporter gestanden. Nun, mit dieser Anonymität könnte es bald vorbei sein für den 52jährigen Sozialdemokraten, der seit dem Frühsommer dem mit 130.000 Mitgliedern größten SPD-Bezirk „Westliches Westfalen“ vorsteht. In der nordrhein-westfälischen SPD mehren sich die Stimmen, die davon ausgehen, daß der heute aus dem Genesungsurlaub zurückkehrende Johannes Rau Müntefering in sein Kabinett berufen wird. Das wäre dann die vorläufige Krönung des lautlosen politischen Aufstiegs eines Mannes, als dessen herausragendste Eigenschaften „Zuverlässigkeit“ und „Vertrauenswürdigkeit“ genannt werden.

Daß der gebürtige Sauerländer Müntefering die Nachfolge von Hermann Heinemann als Bezirksvorsitzender angetreten hat, halten viele Sozis in NRW für einen „Glücksfall“. Mit seiner „ausgleichenden Art“ biete der neue Vorsitzende am ehesten Gewähr dafür, „daß der Laden zusammengehalten werden kann“.

Seit 1975 vertritt Müntefering den Hochsauerlandkreis im Bundestag. Er gehört zu der vom Aussterben bedrohten sozialdemokratischen Spezies, die den Aufstieg ohne Abitur und Hochschulstudium schafften. Von 1954 bis 1975 arbeitete er als Angestellter in der Metallindustrie. In der Bonner Fraktion avancierte er zum wohnungspolitischen Sprecher, und seit 1991 gehört er als Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktionsführung und dem SPD-Bundesvorstand an. Keine besonders aufregende Vita, aber SPD-Insider trauen ihm zu, nach einem Eintritt ins Kabinett – entweder als Bau- oder als Arbeitsminister – sehr schnell zu einer der tragenden Säulen der nordrhein-westfälischen SPD zu werden.

Seine erste Bewährungsprobe als Bezirksvorsitzender ging allerdings nicht ohne Blessuren ab. Müntefering, der der Petersberger Wendegarde angehörte, konnte zwar ein klares Nein zur Änderung des Asylrechts in seinem Bezirk verhindern, aber mit der Forderung nach einer Grundgesetzänderung für den UNO-Kampfeinsatz deutscher Soldaten scheiterte er. Daß er die Bezirksbeschlüsse in der Öffentlichkeit dennoch als „Rückendeckung“ für die Engholm-Linie verkaufte, haben ihm nicht nur die Jusos übelgenommen. Walter Jakobs