Trübe Zeiten für „Front National“

■ Die erfolgreichste rechtsextreme Partei Europas starrte beim Parteitag mit Schrecken auf ihren absteigenden Ast

Paris (taz) — „Feiern“ stand am Wochenende auf dem Programm der rechtsextremen französischen Front National (FN). Froh und festlich sollte es sowohl beim „großen Nationalkonvent“ der Partei mit Gala-Diner zugehen als auch beim anschließenden „Bleu- Blanc-Rouge“-Fest. Schließlich galt es, die Nation daran zu erinnern, daß sich die Partei bereits seit 20 Jahren breitmacht. Das Geburtstagsfest sollte zugleich für die nächste Hürde mobilisieren: Le Pen eröffnete als erster französischer Parteichef die Kampagne für die Parlamentswahlen im März und stellte ein neues Parteiprogramm vor.

Doch trotz aller Bemühungen, die Parteimitglieder in Stimmung zu bringen, herrschte auf dem Parteitag eine spürbar gedrückte Stimmung, die der Ort des Treffens — das Messegelände von Le Bourget mit seinem kalten Beton — noch unterstrich. Nicht engagiert und optimistisch, sondern drohend versuchte Le Pen, seine Truppen zusammenzuschweißen. Ein kritisches Porträt der Partei, das im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, nahm er zum Anlaß, um die „lügnerischen und diffamierenden“ Medien anzugreifen — noch bevor er es überhaupt gesehen hatte. Dennoch ließ Le Pen die Reportage beim Gala-Diner der Parteifunktionäre auf großer Leinwand ausstrahlen. Seine Truppen reagierten mit „Bravo“, als der Film über Nazi-Kollaborateure und Petain-Anhänger in ihren Reihen berichtete.

Obwohl Le Pen nach der Vorführung meinte, „die Sendung bringt der FN 300.000 zusätzliche Wähler“, ließ er einem der beteiligten Journalisten über seinen Pressedienst telefonisch drohen: falls er beim Parteitag auftauche, sei „seine Sicherheit nicht gewährleistet“. Die kraftmeierischen Töne sichern der Partei die Beachtung der Medien. Denn der FN macht zu schaffen, daß das französische Fernsehen in den letzten Monaten kaum noch über sie berichtet. Politbüromitglied Roger Holeindre, der während des Algerienkriegs der Terrororganisation OAS angehört hatte und heute die FN-Jugend militärisch trainiert, wurde noch deutlicher. „Sollten einige Fernsehjournalisten beim blau-weiß-roten Fest eins auf die Fresse kriegen, werde ich sie nicht verteidigen“, erklärte er gegenüber französischen Journalisten.

Auch das neue Parteiprogramm – ein Katalog von 225 Seiten – hat es auf die Medien abgesehen. Um den vorherrschenden „ideologischen Konformismus“ und „intellektuellen Terrorismus“ zu unterbinden, möchte die FN die Rekrutierung von Journalisten staatlich regeln. Ein „Mediengericht“ soll die Tätigkeit der Journalisten überwachen. Erstes Ziel der Partei bleibt die „nationale Bevorzugung“. Das Programm beginnt mit dem einträglichsten Thema der Rechtsextremen: dem Kampf gegen die Einwanderer. 27 Maßnahmen sollen dafür sorgen, daß Ausländer nur noch ausgebeutet und nach Gebrauch abgeschoben werden können. Eine völlige Kehrtwende macht die Partei nur in Wirtschaftsfragen, wo sie von ihrem bisherigen ultra-liberalen Kurs auf einen totalen Protektionismus umschwenkt.Bruno Megret, Propagandachef und Nummer zwei der Partei, versuchte die Parteifunktionäre zu überzeugen, daß die FN „die Wüste durchquert“ habe und nun als einzige „Alternative“ zu den etablierten Parteien „den Kampf zur Eroberung der Macht“ antreten werde. Offensichtlich dämpft jedoch die nächste Etappe den Enthusiasmus der Partei: Da bei den Parlamentswahlen Mehrheitswahlrecht gilt und die bürgerlichen Parteien mit der FN keine Bündnissen mehr eingehen, kann sie nicht damit rechnen, Fraktionsstärke zu erreichen. Bei den Regionalwahlen vom Frühjahr hatte die FN selbst die Erwartung geweckt, sie werde mindestens 18 Prozent Stimmen erhalten. Das Resultat von knapp 14 Prozent wurde daher allgemein als Mißerfolg gewertet. Der Parteichef vorsichtiger: „Wenn wir das Resultat der letzten Wahlen übertreffen, ist dies ein zusätzlicher Schritt zum Sieg der Front National.“ Bettina Kaps