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Liebeserklärung: An alle Mitbürger, die von dort herkommen, wo ich Ausländer bin

an all die Mitbürger, die von dort herkommen, wo ich Ausländer bin

Ich liebe sie, weil sie mir ihre Kultur näherbringen;

ich liebe sie, weil ich gerne ihrer Musik lausche;

ich liebe sie, weil ich ihre Gebräuche kennenlernen darf;

ich liebe sie, weil ich ihre Speisen gerne esse;

ich liebe sie, weil ich gerne dem melodischen Klang ihrer Sprachen zuhöre;

ich liebe sie, weil sie so sehr gastfreundlich sind;

ich liebe sie, weil ich aus ihren Büchern lerne;

ich liebe sie, weil ich durch sie meinen Horizont erweitern kann;

ich liebe sie, weil sie mir ihren Glauben näherbringen;

ich liebe sie, einfach weil sie Menschen sind.

Ich liebe diese Menschen aus den anderen Teilen unserer einen gemeinsamen Welt, egal ob sie bei uns Asyl suchen, eine Aufenthaltserlaubnis haben (Wer hat zu erlauben? – Wem gehört diese Welt, die wir uns für eine begrenzte Zeit von unseren Kindern geliehen haben?) oder ob sie sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge sind, was doch nur heißt, daß sie dort, wo sie herkommen, Not leiden und an unserem Überfluß bescheiden teilhaben wollen. Unser Überfluß, der bei uns doch nur auf Kosten eben dieser Länder erwirtschaftet wird, aus denen diese Menschen zu uns kommen.

...denn es sind deutsche Waffen, mit denen in Kurdistan und im ehemaligen Jugoslawien und in aller Welt gemordet wird und vor denen die Menschen dort fliehen und an denen Deutsche Milliarden verdienen, und es sind Jugoslawen, die hier in Frieden leben wollen. ...denn es ist die deutsche Wirtschaftspolitik, die eilfertig Geschäftsverbindungen stiftet mit Leuten im Iran, die zum Mord (gegen Rushdie) aufrufen, und es sind Deutsche, die an diesen Geschäften Milliarden verdienen, und es sind Iraner, die hier in Frieden leben wollen.

...denn es ist deutsches Gift im rumänischen Siebenbürgen, vor dem die Menschen dort fliehen und an dem hier Millionen verdient werden, und es sind Rumänen, die hier in Frieden leben wollen. Willy Brandt 1979: Im moralischen Sinn macht es keinen Unterschied, ob ein Mensch im Krieg getötet wird oder durch die Gleichgültigkeit anderer zum Hungertod verurteilt ist.

Ich lese immer wieder über Probleme und Kosten im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Asyl. Das heißt, unser Grundgesetz macht uns Probleme? Ich sehe an dieser Stelle keine Probleme, solange wir hier in einem Überfluß leben, der die Welt zerstört, und solange wir Geld genug für Waffen haben, die in aller Welt dafür sorgen, daß Menschen bei uns um Asyl nachfragen. Wir sind bereit, unseren Wirtschaftsaufschwung und Überfluß durch Handel mit Mordwerkzeugen zu finanzieren, aber nur die Folgen davon in Deutschland werden als Probleme bezeichnet.

Ich mag einfach die Wörter „Ausländer“ und „Probleme“ in einer Verbindung miteinander nicht mehr hören, denn dadurch wächst der Ausländerhaß!

Damit alle Menschen sich in Deutschland zu Hause fühlen, unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauung (GG Art. IV, 3), bin ich am 14.11.92 um zwölf Uhr in Bonn bei der Demonstration „Grundrechte verteidigen – Flüchtlinge schützen – Rassismus bekämpfen“ –, und ich bitte die, die zu dem hier schon wieder vorhandenen Faschismus und zu den täglich in aller Öffentlichkeit geschehenden Verbrechen gegen Menschenleben und Menschenwürde nicht schweigen wollen, auch an diesem Tag nach Bonn zu fahren und ein Zeichen zu setzen. Rainer Heißmann, Kierspe

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