Musiksträfling hinter Glas

■ The Jimi Hendrix Exhibition in der Handwerkskammer / Der Geist der Werbung triumphiert über den Musikschamanen

in der Handwerkskammer /

Der Geist der Werbung triumphiert über den Musikschamanen

Können ein Lebenswerk und eine würdigende Ausstellung weiter voneinander entfernt sein als Jimi Hendrix' Seelenarbeit und seine späte Reichsverwesung in der Handwerkskammer? Wohl kaum. Die Wanderausstellung mit Fotos des größten Gitarrenbeschleunigers aller Zeiten und Hommagen namhafter Yuppies an ein Idol, das ihnen etwas vorgeführt haben muß, das sie selbst scheinbar nie besessen haben, versinnbildlicht in ihrer Sterilität jene Welt, aus der Hendrix stets den Sprung ins Ungewisse gesucht hat.

Der Gitarrenpriester aus Seattle, der am 27. November fünfzig Jahre alt geworden wäre, war ein unvergleichlicher Bilderzeuger, ein Ratgeber der Freiheit und ein Prototyp der direkten Umwandlung von Sehnsucht in Töne. In der Ausstellung, die von London kommend um die ganze Welt wandern wird, ist er ein Musiksträfling hinter Glas, eine Ikone bar jeder Intimität. Alles an der Präsentation ist wohlerzogen, sauber und rechteckig, stigmatisiert vom Geist der Werbung.

Hendrix selbst kommt eigentlich überhaupt nicht vor, sooft er auch abgebildet ist, denn er unterliegt der Zerstückelung in Appetithäppchen, deren stilistisches Kuddelmuddel den Krämergeist der Ausstellungsmacher offenbart. Sein uferloser Flächenbrand wird zerhechelt in Schnappschüsse, die alle Gedankenverbindungen kappen.

Nichts zeigt das mehr, als ein Designverbrechen der 80er, das mit Trichtern bestückt ist, in die man seine Hand halten kann, worauf Fotozellen einen Sound-Sampler ansteuern, aus dem dann kürzeste Schleifen seiner Songs jaulen. Kein Groove, kein Ritus, kein Wunsch nach Versenkung erlaubt die Maschine, die das zentrale Ausstellungsstück ist, sondern Fünf-Sekunden-Terrine für Zuspätgeborene.

Auch Starfotografen und -zeichner (etwa Linda McCartney, Jim Marshall, Moebius) verdienen sich in dieser Atmosphäre nicht mehr Aufmerksamkeit als es ein Coca- Cola-Spiegel oder ein Thomas-von- Heesen-Plakat getan hätten. Till Briegleb