Lateinamerika gilt wieder als kreditwürdig

■ BIZ: Erstmals floß mehr Geld nach Lateinamerika als von dort in Richtung Nord

Basel/Berlin (taz/AP/dpa) – Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Schuldenkrise gilt Lateinamerika bei den Banken der Industrieländer wieder als kreditfähig. Die Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat registriert, daß 1991 erstmals wieder mehr Kapital nach Lateinamerika überwiesen wurde, als von dort in den Norden abfloß. Die BIZ, deren Geschäfte die Zentralbankpräsidenten von Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und der USA führen, hat als „Bank der Zentralbanken“ unter anderem die Aufgabe, die Zusammenarbeit der Notenbanken zu fördern und die internationalen Finanzmärkte statistisch zu erfassen. Ihr jüngster Quartalsbericht beschäftigt sich mit der Schuldenkrise. Vor 10 Jahren, im August 1982, hatte Mexiko den Schuldendienst gegenüber seinen westlichen Gläubigerbanken eingestellt.

In den Jahren 1982 bis 1985 hatten die Länder Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko, Peru, Uruguay und Venezuela zusätzlich zu der von den westlichen privaten Banken faktisch verhängten Kreditsperre eine gewaltige Kapitalflucht zu verkraften. Die BIZ schätzt in diesem Zeitraum die Fluchtgelder auf insgesamt 50 Milliarden Dollar – mehr als 60 Prozent des Zuwachses der Auslandsverschuldung dieser Länder.

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre trat nach Beobachtungen der BIZ eine Wende ein, weil die Stabilisierungsprogramme zu greifen begannen. Gleichzeitig bauten die West-Banken ihre Engagements in Lateinamerika ab. Schuldenumwandlungen und der Rückkauf von Schulden mit hohen Abschlägen breiteten sich in den Jahren 1987/1988 aus und erhielten in Form der „Brady-Initiative“ des US-Finanzministers Nicholas Brady 1989 auch regierungsamtliche Unterstützung.

In jüngster Vergangenheit kehrten viele lateinamerikanische Länder an die internationalen Kredit- und Kapitalmärkte zurück, selbst wenn der Internationale Währungsfonds mit ihnen noch kein Wirtschaftsprogramm vereinbart hatte. Insgesamt betrugen die Nettokapitalzuflüsse in die acht untersuchten Länder laut BIZ im Jahre 1991 schätzungsweise 25 Milliarden Dollar. Allerdings gingen zwei Drittel der Kapitalzuflüsse nach Mexiko. Und von den Zuflüssen nach Argentinien und Brasilien blieb nicht viel für Investitions- oder Konsumzwecke übrig, weil diese Länder Schuldendienst leisten und die Währungsreserven weiter aufstocken mußten. Die Bevölkerung wird also zunächst von der veränderten Kapitallage ihres Landes nichts merken. dri