Wieso wang wang?

■ Berliner Thesen zur Sprache des Hundes in China

Ausnahmslos hundelos waren sie gekommen, vierzig aufgeschlossene Bürger, um in der Berliner Volksbildungsstätte „Urania“ einen Vortrag zu der lebensnahen Frage zu hören: „Warum macht der chinesische Hund wang wang?“ Versprochen war, zusätzlich, eine „gemeinsame Meditation“. Vortragender: Hermann Bohlen, Sinologe.

Auf die verzwickte Materie ist Bohlen in China gestoßen, als er die chinesische Fassung von „Tim und Struppi“ durchblätterte und bemerkte, daß Tim Ting Ting hieß und Struppi wang wang machte. Wer mit dem Phänomen der sogenannten Onomatopöien, den Lautnachahmungen, vertraut ist, ahnt die Bestürzung des Wissenschaftlers: Sollte unser schönes deutsches Wau-wau etwa nicht dem entsprechen, was Herrchens und Frauchens Liebling zu Zwecken territorialer Angeberei täglich rausläßt? Keine Aufregung, versicherte spitzfindig ein konsultierter Spezialist, chinesische Hunde bellen erwiesenermaßen anders. Womit die Sache gefressen gewesen wäre, hätte nicht ein chinesischer Freund dem Wissenschaftler den Stachel des Zweifels in die Seele getrieben: wang wang mache jeder Hund.

In Bohlens „Zwischenvortrag: Warum macht der chinesische Hund nicht wau wau?“ werden erste, versöhnende Ergebnisse greifbar:a)Laute, die zur Bildung onomatopoetischer Worte herangezogen werden, sind willkürlich. b)Diese Willkür zeitigt unterschiedliche Ergebnisse.c)Jede Sprachgemeinschaft verfügt über eine begrenzte Anzahl von Lautbildern.

Und dann, endlich, läßt der Forscher die Katze aus dem Sack: Der chinesische Hund macht wang wang, weil der Chinese nicht wau wau sagen kann.

Wem diese Lösung zu germanozentrisch ausfiel, sollte sogleich getröstet sein. Denn eine chinesische Dame betrat, vom Vortragenden höflich am Ellbogen gestützt, das Podest und brachte O-Ton zur Aufführung: fünf Minuten lang chinesische Tierlaute beziehungsweise die dort üblichen menschlichen Übersetzungen derer. Auch ein Esel war darunter: AI– AI–AI (Applaus). Die Bemerkung eines ungehobelten Skeptikers („na, wenn det ma' stimmt“) brachte den Vortragenden dazu, von der gemeinsamen Meditation abzusehen. Was nichts Gutes erwarten läßt für die Berliner Faschingssaison, die mit diesem Vortrag eröffnet worden war. Ina Hartwig