Max Frisch läßt grüßen

■ betr.: "VietnamesInnen sollen gehen", taz vom 4.11.92

betr.: „VietnamesInnen sollen gehen“, taz vom 4.11.92

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.11.92, demzufolge den vietnamesischen GastarbeiterInnen der DDR im vereinten Deutschland kein Abschiebeschutz gewährt wird, hat unter den betroffenen Menschen sowie den zahlreichen gesellschaftlichen Initiativen und Organisationen, die seit längerer Zeit um das Bleiberecht dieser Personengruppe engagiert sind, zu großen Beunruhigungen geführt. Der Verdacht liegt in der Tat nahe, daß mit dem Urteil eine Präzedenzentscheidung für die am 19.11.92 stattfindende Innenministerkonferenz geschaffen werden sollte, die u.a. den weiteren Verbleib der ehemaligen AbkommensarbeiterInnen abschließend behandeln wird.

In die logische Kette der Ereignisse fügen sich auch die in dieser Woche in Bonn stattfindenden neuen Regierungsverhandlungen zwischen Deutschland und Vietnam zu dem am 9.6.92 unterzeichneten „Reintegrationsabkommen“ ein, welches mit der Straffreiheitsgarantie für die frewillig zurückkehrenden VietnamesInnen bekanntlich die ausschlaggebende Grundlage für das Berliner Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gebildet hat.

Abgesehen davon, daß die Straffreiheitsklausel nur für die freiwilligen Rückkehrer, jedoch nicht für die abgeschobenen Menschen gilt – womit das Urteil sich selbst ad absurdum führt –, dürfte dadurch das vielfach geforderte Bleiberecht für die ehemaligen AbkommensarbeiterInnen kaum in dessen juristischer, politischer und ethischer Tragweite beeinträchtigt werden. [...]

Die aufenthaltsrechtliche Position der vietnamesischen AbkommensarbeiterInnen ist bis zum Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes am 1.1.91 keineswegs in Einklang mit der scheinbar plausiblen Aussage zu bringen, daß die betreffende Personengruppe zu keinem Zeitpunkt mit einem Daueraufenthalt in Deutschland rechnen könne. Vielmehr ist seit dem Inkrafttreten der Veränderungsverordnung vom 13.6.90 und in Übereinstimmung mit der am 13.5.90 unterzeichneten Neufassung des Regierungsabkommens zwischen der DDR und Vietnam der Aufenthalt der vietnamesischen AbkommensarbeiterInnen nicht mehr an einen bestimmten Zweck gebunden. Dies macht also die Erteilung des ausbaufähigen Aufenthaltsstatus einer befristeten oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an die ehemaligen AbkommensarbeiterInnen gerade zwingend notwendig. Dieser juristische Zusammenhang wurde in den betreffenden Gutachten und Stellungnahmen des Berliner Rechtsanwalts Dr.Mathias Zieger und des Hannoveraner Rechtsanwaltes Heinrich Freckmann bereits ausführlich dargestellt und begründet. Nicht zuletzt hat auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr.Norbert Blüm, im Rahmen der von 24. bis 26.September in Erfurt stattgefundenen Interkulturellen Konferenz „Europa – eine Festung?“ geltend gemacht, daß die ehemaligen DDR-AbkommensarbeiterInnen nicht mit den WerkvertragsarbeitnehmerInnen gleichzusetzen wären. All dies wird durch das oben genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht im geringsten in Frage gestellt.

Darüber hinaus gibt es durchaus völkerrechtlich begründete Ähnlichkeiten zwischen dem genannten Regierungsabkommen und den entsprechenden Verträgen der alten Bundesrepublik mit den jeweiligen Anwerbestaaten. Der Gedanke von Max Frisch, man habe die Arbeitskräfte holen wollen und es seien Menschen gekommen, bekommt, beinahe 20 Jahre nach dem bundesdeutschen Anwerbestopp, eine unerwartete Aktualität. Es gilt also die Forderung nach der Gleichstellung mit den ausländischen VertragsarbeiterInnen in den alten Bundesländern.

Es sei an dieser Stelle ausdrücklich an die Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg, sich für das Bleiberecht der ehemaligen VertragsarbeiterInnen einzusetzen, erinnert, aber auch an die positive Haltung zum Beispiel der Länder Berlin und Sachsen in dieser Frage. Last not least geht es hier um ein bedeutsames Stück Authentizität der Politik in den neuen Ländern, welche mindestens ebenso große Aufmerksamkeit verdient wie die weniger erfreulichen Ereignisse, die ohnehin im Zentrum der öffentlichen Meinung stehen. [...] Nguyen Dinh Nghe, Deutsch-

vietnamesische Interkulturelle

Zeitschrift „DOI THOAI“,

Berlin