■ Der Nahe Osten steht vor der Neuordnung
: Jenseits der politischen Paralyse

Wie Ronald Reagan im Jahre 1981 hofft auch Bill Clinton, daß der Rest der Welt ihn eine Weile in Ruhe läßt, während er sich mit inneren Problemen beschäftigt. Der Rest der Welt ist da jedoch selten kooperativ. Der Nahe Osten ist in diesem Sinn ein verläßlicher Kandidat.

Die meisten Staaten des Nahen Ostens stehen heute vor verschiedenen Formen politischer Paralyse. Die meisten arabischen Staaten insbesondere harren unstet zwischen politisch diskreditierten und ökonomisch katastrophalen Privileg- und Patronagesystemen auf der einen Seite und einem neuen populären, wenn auch widersprüchlichen Verlangen nach Islam und Demokratie auf der anderen. Explosionen wie in Algerien sind auch anderswo wahrscheinlich.

Damit hängt auch die ethnische und sektierische Basis eines Großteils der Politik im Nahen Osten zusammen, wo politische Schwäche mit ethnischem Zwist zusammengeht und damit Bürgerkrieg und auswärtige Einmischung provoziert. Libanon ist dafür ein Beispiel. Auch der Sudan setzt seinen durch ethnischen Bürgerkrieg hervorgerufenen Zerfall fort.

Die Türkei hat jüngst eine Staatsgrenze überquert, um ihre territoriale Integrität gegen kurdische Aufständische zu verteidigen. Die sunnitische Führung des Irak hat dieselben Sorgen. Aber der kurdische Nationalismus wird die nächsten Jahrzehnte für Unruhe sorgen.

Der Golfkrieg zerstörte die Reste des panarabischen Idealismus. Die Golfstaaten fielen nach dem Krieg über ihre nicht-arabischen Einwanderer her; Saudi-Arabien und Katar stehen auf Kriegsfuß; und, noch schwerwiegender: die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen Saudi-Arabien und Jemen über Öl, Territorium und Stolz ist hoch.

Der Nahe Osten befindet sich in einer Phase der Neuorientierung. Sechs neue Staaten der ehemaligen Sowjetunion sehen sich als Teil des Nahen Ostens; schon jetzt sind sie ein türkisch-iranisches Wettberwerbsfeld. Ihre riesigen Ölreserven könnte die Muster der Arbeitsmigration radikal verändern, und ihr Drogenpotential könnte das Medellin-Kartell in den Schatten stellen. Die islamische Regierung des Iran ist dabei, in einem militaristischen Wahn alle Arten von Waffen zu kaufen und seine Außenpolitik von idealistischer, schiitischer Militanz zurück auf den viel gefährlicheren persischen Nationalismus zu orientieren. Im Vergleich zu all dem erscheint der arabisch-israelische Konflikt fast wie eine Oase der Ruhe. Adam Garfinkle

Der Autor, Nahost-Experte am US-Institut „Foreign Policy Research Institute“, ist z.Z. Gastprofessor in Tel Aviv. – Gekürzt aus ,Newsday‘