Südlibanon: Kriegsgefahr fürs erste gebannt

■ Gespannte Lage in allen israelisch besetzten Gebieten führt jedoch zur Unterbrechung der arabisch-israelischen Nahostverhandlungen in Washington

Tel Aviv (taz) – Nur durch die Intervention amerikanischer und europäischer Diplomaten ist es gelungen, die Kriegsgefahr an Israels Nordgrenze einzudämmen. Die bilateralen arabisch-israelischen Nahostverhandlungen sind gleichwohl in der Nacht zum Freitag unterbrochen worden, und sollen erst Anfang der kommenden Woche wieder aufgenommen werden. Auch die multilateralen Gespräche über die Nahost-Flüchtlingsproblematik wurden vertagt.

Trotz einiger Zusammenstöße in dem von Israel besetzten Südlibanon besteht jetzt in Jerusalem jedoch die deutliche Tendenz, die Sturmleitern der letzten Tage wieder einzuziehen und die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Ministerpräsident Rabin gestand gestern sogar ein, daß der Katjuscha-Beschuß der Hisbollah auf Nordisrael Anfang der Woche eigentlich eine Reaktion auf israelische Luftangriffe gegen Hizbollah-Ziele im Libanon war. Bisher war die offizielle israelische Position, Hizbollah habe die bisher „gültigen Spielregeln“ des Konflikts verletzt und Israel habe darauf sofort mit harten militärischen Schlägen antworten müssen. Mit einer großen Militäraktion Israels im Libanon ist nur zu rechnen, wenn erneut israelisches Territorium beschossen wird.

Wie der Militär-Experte der Tageszeitung Haarez, Zeev Schiff, heute aus Washington berichtet, „verstehen die Amerikaner Israels Empfindlichkeit, befürchten jedoch, daß eine größere Militäraktion Israels den Friedensprozeß zum Entgleisen bringen würde. Die Amerikaner meinen, daß es abgesehen von der Notwendigkeit des Kampfes gegen Hizbollah auch den politischen Prozeß zu schützen und aufrechtzuerhalten gilt.“ Zu der schweren Krise in den Nahostverhandlungen tragen auch die neue Spannungen im Gazastreifen und der Westbank bei. Im südlichen Gazastreifen wurde eine Ausgangssperre verhängt, nachdem es am Mittwoch zu palästinensischen Massenprotesten gegen die Erschießung zweier Einwohner von Khan Yunis kam. Die beiden wurden während der Beerdigung eines erschossenen Palästinensers von israelischen Soldaten getötet. In den letzten beiden Tagen wurden bei Demonstrationen im Gazastreifen und in der Westbank über zwanzig Palästinenser durch Schüße verletzt und einer getötet.

Bei den Wahlen an der Bir-Zeit- Universität in der Westbank hat die „Nationale Liste“ der PLO die islamistische Liste der „Hamas“ haushoch geschlagen. Die Wahlen werden als politisches Stimmungsbarometer unter den Palästinensern und als Indikator für den möglichen Ausgang von Wahlen in den besetzten Gebieten angesehen.

Als eigentlicher Sieg der PLO gilt der Umstand, daß alle PLO- Fraktionen eine gemeinsame Liste gebildet und damit ein wichtiges Zeichen gegen die PLO-internen Zersplitterungstendenzen gesetzt haben. Diese sind vor allem auf die unterschiedliche Bewertung der israelisch-palästinensischen Verhandlungen zurückzuführen.

Das PLO-Wahlbündnis aus Fatah, Nationaler Demokratischer Front und Volksfront, das von den Kommunisten unterstützt wurde, erhielt zwei Drittel der Stimmen. Ein Drittel ging an die islamistische Liste der „Hamas“. Die „Nationale Liste“ lehnt die israelische Version der „Autonomie“ für die besetzten Gebiete ab, nicht aber die Verhandlungen mit Israel über eine Autonomie. Amos Wollin