Beziehungskrise

■ Skoda-Pilsen hat nach Verhandlungen nun doch Zweifel an Ehe mit Siemens

Berlin (taz) – Zweckoptimismus statt Euphorie. So lautet die neue Parole im Hause Siemens, nachdem das vor Jahresfrist als strategischer Durchbruch im Ostgeschäft gefeierte Joint-venture mit dem größten tschechoslowakischen Maschinenbaukonzern Skoda in Pilsen einfach nicht unter Dach und Fach kommen will. „Man soll den Tag nicht vor dem Abend tadeln“, unkt Siemens/KWU-Sprecher Wolfgang Breyer. Am Donnerstag hatten die Siemens-Manager Verhandlungen mit Skoda vorerst abgebrochen, nachdem der neue vor wenigen Tagen von der tschechischen Regierung berufene Skoda-Chef, Lubomir Soudek, neue Forderungen aufgetischt hatte. Siemens verlangt kategorisch, daß der Vertrag bis Ende des Monats unterschrieben ist.

Am 25. November 1991 hatten Siemens und der führende osteuropäische Hersteller konventioneller und nuklearer Kraftwerke sich grundsätzlich auf die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens unter dem Namen Skoda Energo verständigt. Siemens sollte insgesamt 67 Prozent des neuen Konzerns übernehmen und davon 10 Prozent umgehend an die französische Framatome weiterschieben. Die tschechischen Partner feierten den Zusammenschluß als „beste Voraussetzung für die Entwicklung eines Kraftwerksgeschäfts auf Weltniveau“, die Siemens-Oberen jubelten über den neuen „Niedriglohnstandort“ und „eine fast unangreifbare Kosten- und Wettbewerbspostition“ für den nuklearen Weltmarkt. Doch von da an ging es bergab.

Zunächst stieg im August 1992 die Prager Skoda-Dependance, Sitz der Anlageningenieure und Montageabteilung des früheren staatlichen Skoda-Komplexes, aus dem avisierten Joint-venture aus. Anfang des Monats nun mäkelte der gerade gekürte Skoda-Chef Lubomir Soudek öffentlich an den Modalitäten, insbesondere dem mehrheitlichen Siemens-Framatome-Anteil, herum. Die Münchner seien ohnehin „nicht der vorteilhafteste Partner“, es müsse nachverhandelt werden. Der neue Skoda-Boß, der dem Unternehmen bereits früher vorstand, teilt sich den verbliebenen 34-Prozent-Akteinanteil seines Unternehmens mit einem Prager Bankenkonsortium. Das persönliches Aktienpaket hatte er zur Bedingung seines Einstiegs gemacht.

Siemens-Sprecher Breyer beteuert gegenüber der taz, sein Unternehmen habe „zu keinem Zeitpunkt darauf bestanden, die Mehrheit zu halten“. Siemens würde auf Anteile verzichten, dann aber auch weniger löhnen. Außerdem will Siemens laut Breyer „nicht für ökonomische und ökolgische Altlasten“ des tschechischen Staatskonzerns „geradestehen“. Das geplante Gemeinschaftsunternehmen nehme umso mehr Schaden, je länger die Unsicherheit andauere.

Immerhin habe sich der potentielle Westpartner bereiterklärt, Skoda in der „Übergangslage“ zu helfen: Siemens hat nach Angaben Breyers angeboten, bisher in Mülheim an der Ruhr gefertigte konventionelle Kraftwerksteile in Pilsen fertigen zu lassen, Framatome hat dort bereits die aufwendige Stützstruktur für einen neuen Reaktordruckbehälter geordert. Gerd Rosenkranz