„Den August 1914 habe ich nie vergessen“

■ Der 89jährige Ludwig Wolf aus Ettlingen bei Karlsruhe trat 1926 der DFG bei

taz: Was hat Sie zum Pazifisten gemacht?

Ludwig Wolf: Am 8. August 1914 marschierten in meinem damaligen Wohnort in Mühlhausen im Elsaß zunächst die Franzosen ein, tags drauf, es war mein 11. Geburtstag, die deutschen Truppen. Ich sah einen jungen Franzosen mit zerrissenem Kopf auf der Straße liegen, blutüberströmt mit Schmeißfliegen auf dem ganzen Gesicht. Aus einem Wirtshaus torkelte ein völlig betrunkener Franzose mit dem Gewehr auf dem Rücken. Er wurde von einem sächsischen Soldaten zusammengeschossen. Bald darauf sah ich Hunderte von Toten auf den Schlachtfeldern. Diese Bilder vom August 1914 habe ich nie mehr vergessen.

Wie sind Sie zur DFG gekommen?

1926 sprach in Ettlingen der SPD-Reichstagsabgeordnete Gerhard Seeger in einem überfüllten Wirtshaussaal über die „Notwendigkeit der Verhinderung eines zweiten Krieges“. Seeger rief zur Gründung einer Ortsgruppe der DFG auf. 65 Menschen wurden an diesem Abend Mitglied. Sie wählten mich zum Vertrauensmann, wahrscheinlich, weil ich in keiner Partei war. 1933 hatten wir 136 Mitglieder.

Was waren Ihre Hauptaktivitäten?

Vor allem große öffentliche Versammlungen. Und dann sind wir natürlich in die Pfalz ausgerückt und haben dort neue Ortsgruppen gegründet.

Waren damals auch Frauen in den DFG- Ortsgruppen engagiert?

Nein, überhaupt nicht.

Warum nicht?

Die Frauen haben das Thema den Männern überlassen. Das war doch üblich damals.

Wie erlebten Sie die Auflösung der Organisation 1933?

Am 6. März 1933 morgens um fünf Uhr läuteten zwei Uniformierte, und ich blickte in die Mündung einer Pistole. Auf der Suche nach der Kasse des Landesverbandes und – ausgerechnet! – nach Waffen stellten sie die ganze Wohnung auf den Kopf. Sie haben nur ein Tranchiermesser gefunden und als „Waffe“ beschlagnahmt. Daraufhin ging ich nach Berlin. Während der Kriegsjahre habe ich alles darangesetzt, keine Uniform anziehen zu müssen.

Ab 1945 haben Sie die DFG wieder mit aufgebaut, waren zweitweise im Bundesvorstand, sind aber 1951 ausgetreten und erst 1974 wieder Mitglied geworden. Warum der Austritt 1951?

Weil damals Leute in der DFG die Oberhand gewannen, die eine wesentliche programmatische Grundlage der DFG-Arbeit vor 1933 bestritten: daß alle Kriege vorrangig aus wirtschaftlichen Gründen geführt werden und der Kampf um Frieden nicht zu trennen ist vom Kampf um Veränderung der ökonomischen Ordnung.