Praktizierte Feindesliebe

■ Martin-Luther-Kirche in Iserbrook bemüht sich um menschliche Nähe zu Asylbewerbern

in Iserbrook bemüht

sich um menschliche Nähe zu Asylbewerbern

Das Containerdorf für Asylbewerber in der Iserbrooker Simrockstraße ist seit gut vier Wochen bewohnt. Nach anfänglich stürmischen Protesten gibt es heute nur noch mäßigen Unmut der Anwohner. Eigentlich wolle man ja helfen, „wenn man nur wüßte, daß das alles nette Leute sind“, hatten die Nachbarn einst gesagt. Jetzt, wo es mit den Asylbewerbern keine Schwierigkeiten gibt, haben sich viele in ihr gemütliches Heim zurückgezogen. Einziges Zeichen des untergründigen Hasses: Die Container wurden mit Hakenkreuzen beschmiert.

Daß die Gegner der Asylbewerberunterkunft lieber im Dunkel agieren, zeigte sich auch auf einer Gemeindeversammlung der Iserbrooker Martin-Luther-Kirche. Der Kirchenvorstand hatte zu einem Gespräch über die „aktuelle Situation der Asylfrage“ eingeladen, um „Fragen und Sorgen, die wir im Umgang mit den Fremden haben“, zu besprechen. Ungefähr 50 Gemeindemitglieder folgten der Einladung - niemand jedoch, der eine Beschwerde gegen das Containerdorf vorbrachte.

Für Diskussion hätte der letzte Gemeindebrief sorgen können. Pastorin Gesa Bartholomae erinnerte darin an das Gebot der „Feindesliebe“ und forderte dazu auf, „auch den Menschen offen zu begegnen, von denen wir uns natürlicherweise zurückziehen, die wir als fremd oder sogar feindlich empfinden“. Doch die Menschen waren nach dem Gottesdienst in den Gemeindesaal gekommen, um über konkrete Hilfen für die Asylbewerber zu reden. So wurde der Bericht von Anke Hartnagel mit Interesse aufgenommen, die von ihren Erfahrungen bei der Betreuung des Pavillondorfes an der Fuhlsbüttler Sengelmannstraße erzählte.

Auch in Iserbrook hat sich inzwischen ein Runder Tisch gegründet. Die 50köpfige Gruppe will nicht schweigsam und tatenlos zusehen, „wenn die Bundesrepublik sich immer weiter nach rechts entwickelt“. Eine der Initiatorinnen, Kathrin Gérard, berichtete von der Arbeit der Initiative, die sich über alle Partei- und Gesellschaftsgrenzen hinweg trifft. „Wir haben einen Flohmarkt veranstaltet, bei dem die Asylbewerber Haushaltsgeräte er-

1werben konnten.“ Natürlich unter Preis, aber „die Menschen sollten nicht den Eindruck haben, daß sie ein Almosen bekommen“.

Vor kurzem veranstaltete der Runde Tisch einen Kaffeenachmittag. „Die Asylbewerber haben großes Bedürfnis nach Kontakt und menschlicher Nähe“, betonte Kathrin Gérard. Besonders, weil sie beengt auf höchstens vier Quadratmetern pro Person wohnen und in den „Blechbehältern“ das Kondenswasser von den Wänden tropft, seien die Menschen froh über jede Abwechselung. Torsten Schubert