Im Land des Schraubenziehers

■ Nepal Lodh, Inder, über das deutsche Weihnachten, die Religion und Ausländerhaß

Der Inder Nepal Lodh lebt seit 28 Jahren in Deutschland. 1964 kam er mit einem Arbeitsvertrag nach Verden. Später zog er nach Bremen, wo er heute Yoga lehrt und in die Meditationspraxis einführt. Vor einem Jahr hat er im Selbstverlag ein Buch veröffentlicht, in dem er seine Erlebnisse in Deutschland schildert.

„Mein erstes Fest in Deutschland war der 24. Dezember. Ein Freund lud mich ein, bei ihm zu essen. Ich sah ein schön dekoriertes Schwein auf dem Tisch und wollte niederknieen und beten. Ich dachte, das Schwein sei hier ein heiliges Tier. Aber dann sagte man mir, ich solle es zerschneiden und essen! Hinterher dachte ich, wieviele Tiere müssen sie heute geschlachtet haben, nur um den Geburtstag eines Kindes zu feiern. Ein Feiertag ist für mich ein Tag der Gewaltlosigkeit. Messer und Gabel müssen weg.

Ich bin nach Deutschland gegangen, weil ich die Welt kennenlernen wollte. Viele hatten mich gewarnt, dort gebe es immer noch Konzentrationslager, aber ich hielt eisern an meinem Plan fest. Meine Begeisterung war so groß.

Als ich 1964 kam, hatte ich einen Einstellungsbrief in der Tasche und konnte drei Tage nach meiner Ankunft anfangen zu arbeiten: in einem Fahrzeughaus. Am ersten Tag kam ich mit Anzug und Krawatte, da hat man mir gesagt, daß ich mir einen Blaumannn kaufen muß. Das erste Wort, was ich gelernt habe, war Schraubenzieher.

Ich habe zehn Minuten geübt, bis ich es konnte. Nach vier Wochen hieß es: Du bist zu faul, das war für mich ein seelischer Schock, weil ich in Indien als sehr fleißig galt. 1967 wurde mir die Arbeitserlaubnis entzogen. Weil ich nur zweihundert Mark gespart hatte, konnte ich nicht zurück. Ich mußte anfangen zu studieren, damit ich bleiben konnte. Beim Arbeitsamt hat man mir gesagt, Sie können doch Gewürzhändler werden, aber dann wurde ich doch an der Hochschule für Wirtschaft aufgenommen.

Die Menschen hier sind sehr ich-bezogen. Sie sagen: mein Haus, mein Auto, mein Beruf, meine Welt. Alles andere interessiert sie nicht. Sie stellen sich vor, die ganze Welt muß so aussehen, wie ihr Marktplatz. Es gibt hier religiösen Fanatismus. Sie können sich eine Welt ohne Christus nicht vorstellen. Sie reagieren abwertend, wenn sie anderen Religionen begegnen. Wenn ich mir vorstelle: Ein Gott, der sagt: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Jetzt habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft, meine Frau ist Deutsche. Jetzt darf ich alles: Arbeiten, ein Gewerbe betreiben, alles. Ich bin zu alt geworden, um zurückzukehren. Ich bin von Indien entwurzelt und hier verwurzelt. Im hohen Alter gehe ich zurück und komme nie wieder.

Dieser Ausländerhaß in Deutschland war immer schon da. Er überrascht mich überhaupt nicht. Er kommt nicht nur von unten, er kommt auch von oben, von den Behörden. Bei der Ausländerbehörde hat man mir gesagt, ich beeinträchtige die Belange der Bundesrepublik Deutschland. Ich habe immer Vorurteile gespürt, in schärfster Form: Du dreckiges Stück, sieh zu, daß du schnell nach Hause kommst. Es scheint mir, daß die Gewalt auch mit dieser Religion zu tun hat, die andere schlecht macht. Denken Sie nur an die Kreuzzüge. Durch Yoga können wir Ausländerfeindlichkeit abbauen. Wer Yoga praktiziert, sieht die ganze Welt als eine Familie und kann überhaupt keinen Haß entwickeln. Aufgeschrieben von

Diemut Roether