Zu allem fähig

■ Aus New York: eine wandelbare Myra Melford samt Trio bei Rabus

Wie zur Probe, ohne aufwendiges Outfit und Verbeugen, gehen Kontrabassist Linsay Horner, Schlagzeuger Reggie Nicholson und die Pianistin Myra Melford an ihre Instrumente. Was sie aufführen, ist Free Jazz, aufgeladen mit vielfältigen Zitaten aus Blues, Soul, Klassik und musique concrete der 60er Jahre. Befreit von spröder Coolness, verunreinigt durch eigenwillige „Zwischentöne“ der New Yorker Pianistin, entsteht am Sonntag beim 254. Dacapo-Konzert obsessive, spielwütige Musik.

Wie Cecil Taylor zeigt Myra Melford mit unglaublich energiegeladener Tastenwut, wie das Klavier einerseits zum Percussionsobjekt werden kann und andererseits als klassisches Instrument für virtuose Geläufigkeitsstudien, eben für Etudenhaftes herhalten kann. Dabei vergißt die Musikerin nie die lyrischen, kantablen Töne und vermag einen auch in schönen Klangrausch à la Keith Jarrett zu versenken.

Mit einem feinen Gespür für Timing und Ensemblespiel korrespondieren die Musiker. Sie übergeben sich Passagen, Themen, ohne ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Ein Schlagzeugsolo mit komplizierten Polyrhythmiken wie einfachen Taktschlägen wird so zu einem Klangereignis.

Trotzdem: Ein gründlicherer Sound-Check hätte das Übertönen des Pianos durch den Drummer verhindern können. Doch Myra Melford beherrscht mit ihrem großen Repertoire an Spielfertigkeiten sowieso die Szene. Besonders im zweiten Teil brilliert die Pianistin im Stück „Shouts“ mit minimalartigen Passagen und stark expressiven Partien.

„Breakin night“, ein letzter ruhiger Titel vor dem Finale, zeigt nochmal einen auf Blues konzentrierten Jazz. Jetzt kommen auch die traditionelleren Jazz-Fans auf ihre Kosten. Barstimmung kann das Melford Trio genauso wie experimentelle Klangarchitekturen erzeugen. Schließlich ist auch nicht nur junges Avantgardepublikum, sondern auch ältere Zuhörerschaft im Rentenalter, gleich in der ersten Reihe, vertreten. Katrin Mayer