■ Somalische und andere Bootsflüchtlinge
: Ex occidente luxus

Es wird uns noch Hören und Sehen vergehen. Was einmalig erschien, vervielfacht sich. 1979 war es die „Hai Hong“, die mit ihren über 2.500 Bootsflüchtlingen die Anrainerstaaten des Südchina-Meeres nach einem port of call absuchte. Gestern war es die „Gob Weins“ im Roten Meer, als der Bundespräsident Richard von Weizsäcker gegen alle diplomatische Etikette in Sanaa darauf bestand, auch in den verachteten Süden des Landes zu gehen und sich persönlich die somalischen Boat people anzusehen und für sie Wind zu machen.

Heute ist die M/S „Sanaa 1“, die in Merca, 40 Kilometer von Mogadischu entfernt, von völlig verzweifelten Somalis gekapert wird und unter der humanitären Erpressung Kurs Jemen/Aden nimmt. Da die „Sanaa 1“ nur ein 1.600-Tonnen-Seelenverkäufer ist, kann man sich die hygienischen und sonstigen Zustände an Bord lebhaft vorstellen.

Ein Marineboot der französischen Streitkräfte hat mit all den Problemen zu tun, die seinerzeit der Cap Anamur zugemutet wurden. Kommandant Ducuing und seine Matrosen sind gehalten, den über 3.000 hungrigen Somalis alles zu geben – nur auf gar keinen Fall einen Platz an Bord des Schiffes. Wehe!

Europa will sie nicht mehr haben, die Boat people. Wie auch die anderen in der Karibik nicht, für die sich immer wieder US-Organisationen vergeblich einsetzen, sie kommen aus Haiti, der Dominikanischen Republik und anderen Habenichtse-Ländern. Früher wurden die Kubaner akzeptiert, weil sie aus der „richtigen“ Richtung segelten.

Europa will auch die Boat people vor Tanger nicht haben. Es sind Flüchtlinge, die ihr Glück suchen – also das seit Thomas von Aquin und der Scholastik bis zur U.S.-Constitution („the pursuit of happiness“) verbürgte Menschenrecht einklagen, indem sie auf Booten die Meerenge von Gibraltar durchqueren.

Wir werden demnächst noch mehr Bootsflüchtlinge haben. Es wird Regierungen wie die in Tirana geben, deren Regieren aus dem Bewachen der Zugänge zu ihren Häfen besteht, damit die Hälfte der Bevölkerung ihr nicht nach Europa davonschwimmt!

Das alles wird so lange anhalten, bis wir begriffen haben und es uns eingebleut worden ist mit Faustschlägen: Wir können so heuchlerisch nicht weiterleben! Ex occidente luxus – und die übrige Welt guckt in die Röhre. Aber, siehe die jüngsten und den heutigen Parteitag, wir haben noch lange nicht begriffen. Oder? Rupert Neudeck

Vorsitzender des Komitees „Cap Anamur“