Die Schatten des 20. November

■ Am Freitag werden in Madrid Frankisten und Neonazis marschieren

Madrid (taz) – Der 20.November ist jedes Jahr ein Anlaß zu Beunruhigung in Spanien. An diesem Tag jährt sich der Tod Francos, und aus diesem mobilisieren nostalgische Frankisten und junge Neonazis zu Kundgebungen, die häufig in Schlägereien enden. Es ist der Tag, an dem sich Zahl und Stärke der Rechtsextremisten zeigen. Während diese in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung verloren hatten, wird dem Gedenktag in diesem Jahr mit besonderer Sorge entgegengesehen. Denn am Freitag ist es eine Woche her, seit die 33jährige dominikanische Immigrantin Lucrecia Perez Matos im Kugelhagel von vier Pistoleros starb.

Lucrecia hatte einen Monat zuvor ihren Mann und ihre Tochter in der Dominikanischen Republik zurückgelassen, um in Spanien Arbeit zu suchen. Auf 15.000 wird die Zahl der ImmigrantInnen aus der Dominikanischen Republik geschätzt, zum Großteil Frauen, die als Dienstmädchen arbeiten. Lucrecia verlor ihren Job als Hausangestellte im Madrider Nobelvorort Aravaca bald. Danach verkroch sie sich in der leerstehenden ehemaligen Nobeldiskothek Four Roses in der Nähe von Aravaca, wo sie ohne Strom und Wasser mit weiteren dreißig Dominikanern hauste. In der Nacht des vergangenen Freitags drangen vier Männer in die verlassene Diskothek ein, ballerten ziellos auf die anwesenden ImmigrantInnen und flüchteten dann. Lucrecia starb sofort, ein weiterer Dominikaner wurde schwer verletzt und liegt noch im Krankenhaus.

Die Mörder hätten wie professionelle Schützen, mit beiden Händen, geschossen, wurde bald darauf bekannt. Die Polizei tippte von Anfang an auf Neonazis und schloß nicht aus, daß an dem Anschlag Mitglieder der Polizei, der Guardia Civil oder des Militärs teilgenommen haben könnten. Die Geschosse stammen laut ballistischer Untersuchung von der staatlichen Waffenfabrik Santa Barbara, die die Armee und auch die Guardia Civil mit Munition ausrüstet. Sowohl die CEDADE, die bekannteste nationalsozialistische Organisation Spaniens, als auch die frankistischen Gruppen „Juntas Españolas“ und „Frente Nuevo“ bestritten eine Beteiligung am Attentat.

Der Anschlag löste in Spanien große Betroffenheit aus. Zwar hat Rassismus, vor allem gegenüber Arabern, Tradition. Doch konkrete Tätlichkeiten gegen Ausländer waren bislang vereinzelt geblieben und hatten keine Todesopfer gefordert. Das Parlament verabschiedete am Montag eine Resolution, in der Rassismus und Ausländerhaß scharf verurteilt und die Bürger aufgefordert wurden, das friedliche Zusammenleben zu fördern. Ausgesprochen zurückhaltend reagierte hingegen der Bürgermeister von Madrid, José Maria Alvarez del Manzano von der rechten Volkspartei (PP), der, zwei Tage nach dem Mord, schlicht erklärte, er sei dafür nicht zuständig.

Juntas Españolas, Frente Nuevo und CEDADE, dessen Führer Pedro Varela zur Zeit wegen Hitler-Verherrlichung in Österreich einsitzt, haben für den 20. November zu gemeinsamen Kundgebungen aufgerufen. Nach Jahren politischer Bedeutungslosigkeit profilieren sich alle drei Gruppierungen in letzter Zeit zunehmend mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. „Kauf nicht bei Zigeunern“ und „Immigrant=Krimineller“ steht in diesen Tagen an vielen Madrider Hauswänden. Die Mörder der Dominikanerin müssen freilich nicht unbedingt organisierten Gruppen angehören: Unter Jugendlichen macht sich zunehmend ein Nationalsozialismus breit, der ideologisch ebenso diffus wie in seinen Auswirkungen brutal ist. Häufig sind diese jungen Rechtsextremisten Söhne von Polizisten oder Militärs, die ihre Dienstwaffe zu Hause im Schrank liegen haben.

Die nächsten Tage werden belebt in Madrid: Nach den faschistischen Kundgebungen am Freitag wird am Samstag vermutlich eine antirassistische Demonstration sämtlicher Parteien und Gewerkschaften stattfinden. Am Sonntag folgt eine weitere Kundgebung der Faschisten sowie eine Demo von linken Gruppen. Die DominikanerInnen warten inzwischen in der verrotteten Disko Four Roses auf die Festnahme der Mörder. Antje Bauer