„Gemeinsame Lösung für Gibraltar und Melilla“

■ Interview mit Ramon Espasa von Spaniens Linksbündnis „Izquierda Unida“

Ramon Espasa ist Abgeordneter und außenpolitischer Sprecher der spanischen Linksunion „Izquierda Unida“.

taz: Ein Teil des spanischen Staatsgebiets liegt nicht auf der iberischen Halbinsel: Ceuta und Melilla als Enklaven an der Küste Afrikas und die Kanarischen Inseln. Sehen Sie diese Gebiete als Kolonien an, die irgendwann zurückgegeben werden müssen, oder als integralen Bestandteil Spaniens?

Ramon Espasa: Man muß da unterscheiden. Seit dem 16. Jahrhundert sind die Kanarischen Inseln spanisches Territorium und werden von Spaniern bewohnt. Kein hiesiger Politiker wird die spanische Identität der Kanarischen Inseln in Zweifel stellen, obwohl sie mehr als 3.000 Kilometer entfernt liegen.

Aber in der letzten Zeit nehmen auch auf den Kanaren die Unabhängigkeitsbestrebungen zu.

Das ist etwas anderes. Spanien war immer ein sehr zentralistischer Staat. Mit der Demokratie wurde etwas Dezentralisierung erreicht, und das erleichtert das Auftauchen von Forderungen, die sich manchmal nationalistisch nennen, aber in Wirklichkeit regionalistisch sind. Es geht darum, für die eigene Region soviel wie möglich herauszuschlagen. Das kann man aber mit Unabhängigkeitsbewegungen nicht vergleichen.

Warum unterhält die Linksunion in Ceuta und Melilla keine Parteilokale?

Dieses Thema ist viel komplizierter. Für Ceuta und Melilla muß eine ausgewogene, gemeinsame Lösung mit Gibraltar gefunden werden. Wir glauben nicht, daß die territorialen Ansprüche von Marokko (auf Ceuta und Melilla, d. Red.) unabhängig von unseren Ansprüchen auf Gibraltar behandelt werden können.

Es ist vorstellbar, daß die Bevölkerung von Ceuta und Melilla irgendwann einmal lieber zu Marokko gehören möchte. Die Menschen in Gibraltar jedoch wollen eindeutig nicht zu Spanien gehören.

Aber die Gibraltarer haben keine nationale Souveränität. Nach dem Vertrag von Utrecht ist Gibraltar ein von den Spaniern an die Briten abgegebenes Territorium. Gibraltar ist solange britisch, wie es nicht an Spanien zurückgegeben wird.

Die Linksunion kann sich also nicht vorstellen, daß Gibraltar einmal unabhängig wird?

Absolut nicht. Neben dem politischen Problem wollen wir auch dem Steuerparadies auf Gibraltar ein Ende bereiten. Es ist absolut unakzeptabel, daß dort die Multis Gewinne machen und keine Steuern abführen. Im übrigen wäre es durchaus denkbar, daß die Gibraltarer einen Sonderstatus bekommen. Doch keine politische Kraft in Spanien wird den EG-Vertrag über Außengrenzen unterschreiben, was Herrn Kohl sehr stört, solange das Gibraltarproblem nicht gelöst wird. Und solange wir nicht unterschreiben, tritt der Vertrag nicht in Kraft.

Glauben sie, daß sich die territoriale Zugehörigkeit der angesprochenen Gebiete in absehbarer Zeit verändern wird?

Ich bin kein Prophet. Was die Kanaren angeht, glaube ich nicht, daß sich irgend etwas verändert. Was Ceuta und Melilla anbetrifft — auch da kann es durchaus sein, daß die Situation noch ein bis zwei Jahrhunderte so bleibt. Interview: Antje Bauer