Serbische Jubelfeier in Vukovar

Ein Jahr nach der Eroberung der ehemals kroatischen Donaustadt drohen Tschetniks mit neuen Kämpfen/ Die UNO-Schutzzonenregelung wird nicht ernst genommen  ■ Von Roland Hofwiler

„Vukovar lebt“, „Vukovar, heiliger Ort serbischer Märtyrer“ oder „Nie mehr kroatischer Faschismus“. Fahnen und Transparente mit solchen Parolen wurden am Mittwoch überall in der ehemals kroatischen Donaustadt gehißt. Tausend Kämpfer waren angereist, um der „Befreiung vom kroatischen Joch“ vor einem Jahr zu gedenken. Allen voran Tschetnik-Führer Vojislav Seselj, der den Jahrestag zur Machtdemonstration nutzte. An die Adresse Zagrebs drohte er erneut, die kroatische Hauptstadt werde bombardiert, wenn die kroatischen Einheiten sich nicht aus Bosnien zurückzögen und dort den serbischen Truppen das Feld räumten. Wie nicht anders zu erwarten, wurde das Spektakel live im Belgrader Fernsehen übertragen. In Sondersendungen wurde der Anlaß genutzt, um die altbekannten Propaganda-Vorwürfe gegen Zagreb und Sarajevo mit aller Verbissenheit zu erneuern.

Angesichts solcher Worte besteht kein Zweifel mehr: Serbien beansprucht die sogenannten UNO-Schutzzonen, wo auch Vukovar liegt, für sich und denkt nicht daran, diese Gebiete durch Verhandlungen jemals wieder an den „Todfeind“ Kroatien abzutreten. Wie Cyrus Vance, der vor knapp einem Jahr den Plan der UNO- Schutzzonen aushandelte, diesen Sachverhalt der kroatischen Regierung erklären will, bleibt eine offene Frage. Gestern traf er jedenfalls zu Gesprächen in Zagreb ein, um von dort aus, so es die Umstände erlauben, einen Besuch in Vukovar zu absolvieren.

Seselj ließ bereits verkünden, wenn Vance in Frieden komme, sei er gerne gesehen. Er solle nur nicht versuchen, für kroatische „Faschisten“ eine Einreise in ihre alte Heimat zu erwirken. Da würde der Spaß aufhören. Worte, die tausende Kroaten erneut verbittern. Seit Monaten warten sie in Flüchtlingslagern darauf, in die UNO- Schutzzonen zurückzukehren. Obwohl diese militärisch „neutralisiert“ sein sollten, läßt die UNO vor Ort serbische Freischärler unbehelligt gewähren. In den letzten Wochen wurden erneut Berichte von Massakern bekannt, die serbische Freischärler an kroatischen, ungarischen und slowakischen Zivilisten vor allem in der UNO-Zone-Ost begangen haben sollen. Und es war Vance selbst, der vor seiner Abreise aus Genf verkünden ließ, der UNO lägen Beweise vor, daß in den UNO-Schutzzonen nicht nur serbische Freischärler ihr Unwesen trieben, sondern auch die reguläre jugoslawische Armee in Zwischenfälle involviert sei. Bleibt die Frage: Was will die UNO eigentlich?

Kroatiens Präsident Franjo Tudjman gibt seinerseits die Warnung aus, seine Regierung werde nur bis Anfang März das UNO- Mandat für die sogenannten „neutralen Zonen“, sprich durch Serben besetzte Gebiete, dulden. Danach, so sehen es kroatischen Militärexperten bereits voraus, werde es zu einer Neuauflage des kroatisch-serbischen Krieges kommen. Radikale kroatische Militärkreise glauben bereits, ihre Armee könne eine Schlacht gegen das serbische Heer aufnehmen, der Bewaffnungsgrad erlaube dies. Die kroatische Bevölkerung hat, ähnlich wie die Muslimanen in Bosnien, jeden Glauben an Europa verloren, und immer mehr Menschen befürworten Kriegsoptionen, um die serbische Aggression auf dem Balkan zu stoppen.