Hafenstraße: "Wir haben uns sehr verändert"

■ Fünfter Jahrestag des Vertragsabschlusses mit dem damaligen Bürgermeister Dohnanyi / Anlaß für ein Resümee

mit dem damaligen Bürgermeister Dohnanyi / Anlaß für ein Resümee

Es ist ruhig geworden um die Hafenstraße. So ruhig, daß kaum jemand bemerkte, daß am Donnerstag dieser Woche ein Jahrestag zu begehen war. Vor fünf Jahren — um 20.06 Uhr — unterzeichneten der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und die BewohnerInnen den „Pachtvertrag Hafenstraße“, durch den die Barrikadentage ohne Blutvergießen beendet wurden. Inzwischen setzt der Hamburger Senat aber wieder auf Konfrontation: Eine Wohnungsräumung steht am kommenden Mittwoch bevor.

Es geht wenig feierlich zu, als die Uhr auf 20.06 Uhr springt. In der „Tante Hermine“ haben sich BewohnerInnen und UnterstützerInnen jener dramatischen Tage beim Punsch versammelt, lassen die vergangenen fünf Jahre nochmals Revue passieren. Eine Bewohnerin: „Es war ein Scheißvertrag. Aber weder Dohnanyi noch wir hatten eine Alternative — nur: Wir wollten bleiben!“ Angesichts der 10000 Polizisten, die zum Sturm bereitstanden, habe „der Hafen“ diesen Kompromiß eingehen müssen. Viele Hamburger hätten aber den Dohnanyi-Vorstoß begrüßt. „Der Riß ging durch die ganze Stadt.“

Trotz der Vertragslösung ist Dohnanyis eigentliches Ziel des friedlichen Wohnens am Hafenrand vom Senat immer torpediert worden. „Wir haben niemals eine reelle Chance gehabt“, ergänzt eine andere Bewohnerin. Kaum sei Dohnanyi zurückgetreten, habe sein Widersacher Henning Voscherau den paranoiden Kampf gegen die Häuserzeile wieder aufgenommen. „Ich erinnere mich noch an den Abend des Rücktritts. Da kam plötzlich der Einsatzzug-Mitte und ging auf Leute los. Ein Beamter meinte: 'Jetzt kriegen wir euch, euer Freund im Rathaus ist weg.‘“ Und dann sei es eben auch zu „Ausrastaktionen“ gekommen, seien Gehwegplatten von den Dächern geworfen worden.

Voscherau habe seinen Abrißkurs auf zwei Ebenen geführt: Einerseits seien die Renovierungsgelder gesperrt worden, die fester Bestandteil des Pachtvertrags gewesen seien. Andererseits gab es die „öffentlichen Attacken“: Die Bauwagenräumung im Frühjahr 1989, mit dem Versuch, durch den Wasserwerferangriff eine rechtswidrige Räumung und den Abriß zu provozieren. Dann die „BKA-Stadtplanrazzia“ im Sommer 1990, mit dem Vorwurf, in der Hafenstraße gebe es eine „RAF-Kommandozentrale“. Und: „Die Hönkelspiele“. Gemeint ist die Autoknackerei. „Es hat vieler Diskussionen bedurft, bis allen klar war, daß das nicht unser Ding ist, einem Arbeiter den CD-Player aus dem Auto zu klauen.“

Aber auch in der Hafenstraße hat sich vieles verändert, berichten die Frauen: „Es gab damals wegen der ständigen Bedrohung hier keine Kinder.“ Heute könnte die Hafenstraße eine eigene Krabbelgruppe aufmachen. 15 Kids tummeln sich in der Häuserzeile. „Viele von uns sind mittlerweile in einer Ausbildung oder gehen an die Uni. Das war vor fünf Jahren kaum vorstellbar.“ Und: „Wir sind nicht mehr den ganzen Tag damit beschäftigt, die Häuser zu halten und politisch etwas zu machen.“ Vor fünf Jahren habe es sich kaum jemand vorstellen können, „daß wir uns so verändern werden“.

Aber eines ist nach den 1825 Ta-

1gen geblieben: „Wir haben hier niemals eine gesicherte Existenz gehabt. Diesen Zustand kennt hier keiner.“ Und jetzt setze der Senat wieder die „Spirale der Gewalt“ an. Am Mittwoch soll die Vereinswohnung in der Hafenstraße 110 geräumt werden. „Wir werden deutlich machen, daß die drei Leute dort wohnen bleiben wollen und werden.“ Einen Abklatsch der „Militanz“ früherer Jahre werde es indes nicht geben. „Es kann nicht darum gehen, die Wohnung militärisch zu halten.“ Die Hoffnung allerdings: „Dem Senat sollen seine Grenzen aufgezeigt werden. Wir sind ein Teil der Stadt geworden.“ Kai von Appen