Zu wenig Kohle für neue Energie

■ Umsteuern kommt nur langsam zustande / Bestandsaufnahme nach einem Jahr Ampel

„Der von Senat und Bürgerschaft beschlossene Bau des Weser-Wasserkraftwerks ist auf der Grundlage des Bürgerschaftsbeschlusses vom 15. Mai 1990 zügig zu realisieren. Die Verhandlungen mit der Bundesregierung zur Beschleunigung des Vorhabens sollen aufgenommen werden.“

So steht es in der Koalitionsvereinbarung von SPD, Grünen und FDP vom Dezember letzten Jahres. Inzwischen sind die Positionen zwischen Bremen und dem Bund unverändert unvereinbar, und es gibt keine Anzeichen dafür, daß sich das bald ändert. Ein Grund: Es gibt in der ganzen Behörde des Umweltsenators nicht eine Person, die sich schwerpunktmäßig um die Abwicklung des 100-Millionen-Projektes kümmern könnte.

Das Gerangel um das Weserkraftwerk ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Palette der verabredeten Energieprojekte, aber es ist durchaus symptomatisch: Bei der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung ist die Ampel in Verzug geraten. Zwar gibt es eine Reihe von Modellprojekten — Solarenergie in einem Neubauprojekt in Oslebshausen, Niedrigenergie-Häuser bei der Bremer Heimstiftung, nach langen Auseinandersetzungen eine Nahwärmeinsel für Horn-Lehe-West — aber angesichts der energiepolitischen Ziele, die der neue Senat formuliert hat, ist all das viel zu wenig.

Um 30 Prozent soll der CO‘in‚2-Ausstoß in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2005 reduziert werden. „Die Koalitionspartner werden alle Möglichkeiten nutzen, die Bremen als Land und Stadtgemeinde zur Verfügung stehen, um dieses Ziel zu erreichen“, so daß Versprechen der Ampel. Doch dazu müßte vor allem mit viel Schwung an den Ausbau der Fernwärme und an Energiesparkonzepte gegangen werden, und dieser Schwung fehlt.

Beispiel Fernwärme: Bis Oktober dieses Jahres sollten die Stadtwerke eine detaillierte Planung bis ins Jahr 1996 vorlegen. Als vor 10 Tagen ein Ausschuß des Aufsichtsrates tagte, lag immer noch keine genaue Planung vor. Um Druck zu machen, soll der Stadtwerkevorstand jetzt bis zur Aufsichtsratssitzung im Dezember die Ausbaupläne vorlegen, ansonsten will der Aufsichtsrat die anderen vom Vorstand gewollten Investitionen nicht absegnen.

Auch wenn jetzt das dicke Rohr für die Abwärme aus dem Kraftwerk Hafen bis in die Innenstadt verlegt werden sollte, fehlt es an den Leitungen zu den Haushalten, die an Fernwärme angeschlosen werden könnten. Dazu hätte es der Verlängerung eines Bundesprogrammes bedurft. Doch dafür wollte sich der Senat nicht stark machen. Und auch im Sanierungsprogramm findet sich kein Wort zum Fernwärmeausbau: Aus dem Sonderinvestitionsprogramm zur Verbesserung der Infrastruktur wurde der energiepolitische Teil ersatzlos gestrichen. „Sehr bedauerlich“, findet das Edo Lübbing, im Hause des Umweltsenators Chef der Energieleitstelle. Der Senat habe den Bund wohl nicht mit weiteren Forderungen nerven wollen.

Auch der neue Aufsichtsrat der Stadtwerke konnte noch keine neuen Impulse setzen

Auch der Zustand der Energieleitstelle ist ein Beleg für die Halbherzigkeit, mit der der Senat die energiepolitischen Ziele angeht. „Wir sind zur Zeit nicht arbeitsfähig“, beschreibt Lübbing den Zustand seiner Leitstelle. Er selbst ist mit dem überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft für die politische Koordination im Ressort zuständig. Bleibt ein Referent und eine Halbtagskraft. Von den ursprünglich beantragten 12 Stellen blieben 4 1/2, und die werden nach langem Gerangel im Senat frühestens im April nächsten Jahres besetzt sein.

Was Wunder, daß auch andere in der Koalitionsvereinbarung benannten Ziele bislang nicht erreicht wurden: Die Energieagentur, ein gemeinsames Projekt zwischen Bremen und Niedersachsen, kommt nicht voran, die Zusammenarbeit mit dem Unmland stagniert, soll heißen: findet nicht statt. Die gemeinsame Arbeitsgruppe zwischen Bremen und Niedersachsen zur „Sicherheitslage des Unterweser-Atomkraftwerkes“ gibt es nicht. Und der Aufsichtsrat der Stadtwerke, dem nicht Ressort-Chef Fücks, sondern Bürgermeister Klaus Wedemeier vorsitzt, konte bislang auch noch keine feststellbaren neuen Impulse setzen. Nach wie vor fehlt es beispielsweise an der „Vor-Ort- Energieberatung“ der Stadtwerke. Grund: Im Gegensaz zu den Stadtwerken Bremerhaven hält das Bremer Unternehmen die Vor-Ort-Beratung für „kostenmäßig nicht vertretbar.“ Ein interessantes Argument, besonders angesichts der Tatsache, daß der Vorstand gerade eingestehen mußte, bei der Entwicklung eines EDV-Systems satte 10 Millionen Mark in den Sand gesetzt zu haben. Im Aufsichtsrat wird man sich im Dezember auch mit Personalfragen auseinandersetzen müssen. Denn im Vorstand stehen in den nächsten beiden Jahren einschneidende Veränderungen an. Der Vorstandsvorsitzende Günter Czichon und Vorstandsmitglied Fritz Sehring gehen in Pension. Deshalb sollte bereits jetzt ein Teil der Czichon-Kompetenzen auf Arbeitsdirketor Jörg Willipinski übergehen, um diesen auf die Czichon-Nachfolge vorzubereiten. Nachdem der Vorstand im letzten Jahr vor allem durch Pleiten, Pech und Pannen auf sich aufmerksam gemacht hatte, könnte es aber sein, daß die drei von den Stadtwerken inzwischen von diesen Plänen Abstand genommen haben. Holger Bruns-Kösters